Ein kleines Fischerdorf namens Sali war unser Ziel. Nach fast 50
Kilometern liefen wir in dem kleinen, geschützten Hafen der
einheimischen Fischer ein. Ich sprang aus dem Kajak und streckte
(endlich) meine Beine. Einige Männer waren gerade damit beschäftigt
Reparaturarbeiten an einem Holzboot durchzuführen. Ich ging auf
sie zu und erkundigte mich, ob sie wüssten, wo wir die Nacht hier
verbringen könnten. Sie beratschlagten kurz, konnten uns aber
nicht weiterhelfen. Ein Mann, der an einem Balkon lehnend im
dritten Stock eines dem Meer zugewandten Hauses lehnte, schrie ein
paar Worte in unsere Richtung. Die Männer nahmen ihre Arbeit
wieder auf, sagten mir aber zuvor, dass ich kurz hier warten
solle. Eine kleine Tür öffnete sich, ein dunkelhaariger,
braungebrannter Kroate trat heraus und stellte sich in gebrochenem
Englisch vor.
Darko war interessiert an
unseren Kajaks und unserer Art zu reisen. Wir erklärten ihm, dass
wir die gesamte Strecke bis nach Dubrovnik damit zurücklegen
wollten. Mit einem ungläubigen Grinsen schüttelte er seinen Kopf
und verkündete, dass wir „verrückt“ seien. So eine große
Distanz nur mit Muskelkraft zurückzulegen, konnte er sich nicht
vorstellen. Als er jedoch hörte, dass wir bereits 200 Kilometer
geschafft hatten, schüttelte er seinen Kopf erneut. Diesmal aber
anerkennend.
Ein paar Telefongespräche später,
hatte Darko für uns einen Platz zum Schlafen organisiert. Da
dieses Apartment auf einem Hügel mitten im Dorf lag, bot er sich
an, auf unsere Kajaks aufzupassen. Wir nahmen nur das nötigste
aus den Booten, was wir in den nächsten Tagen brauchen würden.
Darko und ich trugen sie dann in eine Art Abstellkammer. Als unser
Zeug in seinem alten und rostigen VW Bus verstaut war, fuhr er uns
durch die engen und steilen Gassen von Sali zu unserer privaten
Unterkunft.
Was für eine willkommene
Abwechslung, die folgenden Tage in diesem urigen, kroatischen
Dorf verbringen zu können. Wir aßen Spaghetti mit Tintenfisch in einer
Taverne direkt am kleinen Hafen voller Leben, spazierten durch das
historische Dorfzentrum und bestiegen einen namenlosen Gipfel, von
wo aus wir den ersten Blick auf die Inselwelt des Kornaten
Nationalparks werfen konnten.
Die Kornaten sind eine Gruppe
von ungefähr 130 Inseln, Eilanden und Riffen, welche sich in der
tiefblauen Adria über eine Fläche von ca. 64 Quadratkilometern
erstreckt. Die größte Insel ist Kornat, die auch als Namensgeber
diente. Bis auf einen kleinen Teil an kultiviertem Land, wo
Feigenbäume, Oliven und Weingärten stehen, bestehen die felsigen
Kornaten aus spärlichem Grasland, seltenen Baumarten und
mediterranem Gestrüpp. Erosion durch das Meer, unkontrolliertes
Grasen durch Schafherden und Waldbrände hatten die Inseln ihrer
ursprünglich üppigen Vegetation beraubt. Die Menschen waren
gezwungen auf grünere Inseln umzusiedeln. In den Kornaten gibt
es keine dauerhaften Bewohner und auch keinerlei
Trinkwasserquellen (nur Regenwasser wird gesammelt). Berühmt ist
das Inselreich für die schroffe Küste mit vielen Höhlen und
Buchten. Wir konnten es nicht erwarten, diese magischen Inseln zu
erkunden. Obwohl uns der Abschied von Darko und dem entspanntem
Leben in Sali nicht leicht fiel, waren wir voll motiviert die
Paddel wieder ins Wasser zu tauchen.
Zeitig in der Früh brachen
wir nach zwei Ruhetagen auf. Die Sonne schien. Das Velebit
Gebirge am Horizont war zuerst wegen des Morgendunstes kaum zu
erkennen, trat dann aber immer deutlicher hervor.
Wir "tauchten" in den Kornaten Archipel ein, der Wechsel in der
Landschaft war beeindruckend. Die karge Schönheit dieser Inseln
zog uns in ihren Bann. Nach nur 10,5 nautischen Meilen konnten wir
der Versuchung nicht mehr widerstehen und errichteten unser Camp
nahe eines Kiesstrandes, der inmitten einer solch faszinierenden
Umgebung lag.
Der Höhepunkte des folgenden
Tages waren zweifelsohne die steilen Klippen an der exponierten
Westseite des Archipels. Senkrechte Felswände, die über 100 m
direkt aus dem Meer ragten, ließen uns winzig klein erscheinen.
Da zogen die Ruinen alter Steinhäuser auf der Insel Mana unsere
Aufmerksamkeit auf sich. Errichtet wurden sie als Film-Set für den
1959 gedrehten Film "Raubfischer in Hellas" (engl. „As the Sea Rages“), mit Cliff Robertson
und Maria Schell in den Hauptrollen.
Auf der weiteren Strecke
entlang der äußeren Inseln waren Plätze zum Anlanden rar.
Schließlich verließen wir den Kornaten Nationalpark. So ging
wieder ein heißer Tag zu Ende, als wir unser Zelt auf einer von
den ewig anrollenden Wellen geformten Felsplattform aufbauten.
Perfekte Wetterbedingungen erwarteten uns auch am nächsten Morgen, und
wir waren froh wieder unsere Segel setzen zu können.
Paddel-segeln mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 7
Kilometern pro Stunde ist eine wunderbare Art zu reisen. Eine
finale Querung von 15 km führte uns wieder zurück zum Festland
Kroatiens.
Es war erst früh am
Nachmittag, doch wir hatten schon unser Tagesziel erreicht - Primosten,
die bis zu diesem Zeitpunkt größte Stadt auf der
Tour. Das historische Zentrum liegt auf einer kleinen Halbinsel.
Einen geeigneten Platz zum Zelten gab es nicht, so paddelten wir
entlang des Ufers auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht.
Ein Hotel im Stil der 70er Jahre hatte ebenerdige Apartments mit einem schönen
Ausblick auf die Altstadt im Erdgeschoss.
Ich sprang aus dem Kajak unter den Blicken neugieriger, russischer
Badeurlauber. Der Concierge des Hotels organisierte uns das Zimmer,
das wir wollten. Perfekt! Wir brachten zuerst all unsere Ausrüstung
und dann die Kajaks zur Unterkunft. Die Terrasse davor war so groß, dass
wir unsere beiden Boote versteckt direkt darauf "parken" konnten.
Ausblick
auf die Altstadt von Primosten
Nach einem Tag Pause und mit neu aufgefüllten Vorräten, kamen wir schnell wieder
in den so gewohnten Paddelrhythmus. Einige Zeit folgten wir dem Festland, bevor
wir erneut zum Insel-hüpfen übergingen. Wir kajakten mit Kurs Südost
entlang der abgelegenen Südseite der Insel Solta weiter zur Insel
Brac, die Berühmtheit vor allem durch die Marmorvorkommen
erlangt hatte, welche beim Bau so bekannter Bauwerke wie zum
Beispiel des Weißen Hauses in Washington oder der Notre Dame
Kathedrale in Paris verwendet wurden.
Während der 7,5 nautischen
Meilen langen Querung zwischen Brac und der Insel Hvar (der "Königin
der Inseln Dalmatiens") überraschte uns der plötzlich
auffrischende Wind. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte er eine
solche Kraft, dass wir vom Kurs abkamen und nur mühsam wieder den
verlorenen Weg gutmachen konnten. Erst um den westlichsten Punkt
Hvars herum fanden wir eine geschützte Bucht für eine kurze
Erholungspause. Anschließend schlängelten wir uns dem Südufer
entlang bis wir das gleichnamige alte Städtchen erreichten.
Den Hafen von Hvar umgibt eine
Promenade, mit einer Allee aus Palmen und eine 700 Jahre alte
Stadtmauer. Hoch über der Bucht thront eine Festung, welche zum
Schutze Hvars entstanden war. Sie erstreckt sich bis hinunter zur
Altstadt mit den urigen Häusern und mittelalterlichen Plätzen.
Jahre zuvor waren wir schon einmal hier gewesen (damals in unserem
Doppel-Faltkajak) und auch diesmal waren wir wieder fasziniert von
der Atmosphäre und dem Charme dieses so geschichtsträchtigen
Orts. Ein schmaler Strand gegenüber einer Kirche war der perfekte
Platz um an Land zu gehen.
Die Kombination aus einsamen Tagen des
Paddelns entlang der wild-romantischen Küste mit ihren versteckten
Buchten und Inseln und dem ruhigen Lebensrhythmus in den alten Dörfern
und Städten macht das Kajaken an der Küste Kroatiens zu einem
faszinierendem Erlebnis.
Hoch aufragende Felswände
dominierten das Bild der Küstenlandschaft während der nächsten
Etappe - was für steife Hälse aufgrund des dauernden nach oben
Blickens und Staunens sorgte. Die Berge wurden dann flacher und
wichen bald sanfteren, dicht mit Bäumen bewachsenen Hügeln. Auf
längeren Abschnitten war ein Anlanden nicht möglich und wir
litten etwas unter der sengenden Hitze. Eine willkommene Richtungsänderung
des Windes auf einen Nordwester erlaubte uns wieder einmal das
Setzen der Segel. Wir steuerten unser Kajaks, unterstützt von bis
zu 1,5 Meter hohen Wellen Richtung der Halbinsel Peljesac. Diese
Landmasse ragt weit westwärts vom Festland ins Meer hinein und
ist die Heimat der letzten Kojoten der Region, welche man des Nächtens
heulen hören kann. Wir campten auf einem kleinen Stückchen
Strand welches gerade einmal groß genug für unser Zelt war. In
dieser Nacht war leider von den Kojoten nichts zu hören, nur die
Stille der Wildnis umgab uns.
Korcula ist ein
mittelalterliches Städtchen, welches eine sehr gut erhaltene
Festungsmauer umgibt. Zugleich war sie auch die letzte größere
Siedlung, auf die wir am Weg nach Dubrovnik treffen würden. Wir
kamen kurz vor Mittag an. Einen Platz für die Nacht zu finden, war
aber eine ganz und gar nicht einfache Angelegenheit. Nathalie
behielt die Kajaks im Auge, während ich durch die Straßen von
Korcula streifte, auf der Suche nach einem freien Quartier.
Endlich erfolgreich, verstauten wir die Boote mit der Hilfe
einiger Einheimischer dann in einer leer stehenden Hütte beim
Strand.
Ein Spaziergang durch die
schmalen Gassen war wie eine Reise in längst vergangene Zeiten.
Obwohl uns alte Siedlungen wie diese begeistern –
wenngleich sie auch manchmal fast schon zu große Menschenmassen
anziehen – so schlägt unser Herz doch mehr für die raue Natur
und dem Alleinsein in ungezähmter Wildnis. Nach kurzer Rast
und dem Festlegen des Kurses für die verbleibende Wegstrecke,
waren wir schon neugierig, was uns auf den letzten Etappen noch
erwarten würde.
Kurz gefasst hier die
Highlights: Unsere finalen Paddeltage beinhalteten viiieeeel
Gegenwind aller nur vorstellbarer Arten: eine ständige Brise von
ungefähr 10 Knoten (welche uns nur ein bisschen langsamer paddeln
ließ), Böen bis zu 20 Knoten (welche uns zwangen hart und
konzentriert zu kajaken) und schließlich heulender Sturm von 35
Knoten (welcher uns so schnell wie nur möglich Schutz suchen ließ).
Die Südküste der Peljesac Halbinsel hinter uns lassend,
gelangten wir in den Kolocepski Kanal (nördlich der Insel Jakljan),
welcher weiter zur berühmten „Perle der Adria“ führte. Die körperlichen
Anstrengungen dieser letzten Tage auf Tour kumulierten
schlussendlich in der Ankunft in Dubrovnik, im äußersten Süden
Dalamtiens. Die Menschen am Strand konnten mit unserem Jubel
nichts anfangen. Keiner wusste, was hinter uns lag. Wir warfen
die Paddel zu Boden und öffneten eine kleine Flasche Sekt, welche
in den Tiefen des hinteren Stauraums meines Kajaks so lange
aushalten musste.
Die strategisch perfekte Lage
im östlichen Teil der Adria führte in Zeiten regen
Handelsschiffsverkehr zu Reichtum, der Dubrovnik zu einer
wichtigen Metropole werden ließ. Über Jahrhunderte entstand eine
kulturelle Vielfalt, welche auch der Grund war, warum die UNESCO
im Jahr 1979 das historische Zentrum der Altstadt als
Weltkulturerbe ausgezeichnet hatte und damit schützte. Das markanteste
Merkmal ist sicher die Stadtmauer, welche rund 2 Kilometer lang um das
Zentrum verläuft und bis zu 6 Meter breit ist. Das System aus Türmen
und Kanzeln sollte die Stadt schützen. Gegen das heftige
Bombardement während des Krieges nach dem Zerfall Jugoslawiens im Jahr 1991 konnte die
Mauer jedoch kaum was ausrichten. Es brauchte lange Zeit um den
entstandenen Schaden wieder zu reparieren. Heutzutage präsentiert
sich die Stadt als wunderbar renoviertes mittelalterliches Juwel.
Wir erkundeten das Zentrum zu
Fuß, aber auch mit unseren Kajaks während eines spannenden
Tagetrips entlang der monumentalen Stadtmauer. Zwei Tage waren
nicht wirklich genug um all die interessanten Details der Stadt in
uns aufzunehmen, aber es reichte für einen kurzweiligen ersten
Eindruck dieses geschichtsträchtigen Orts. Der Fährhafen war nur
4 Kilometer entfernt und mit unseren Kajaks leicht zu erreichen.
Am Tag unserer Abfahrt gab es keinen Grund zur Eile. Wir hatten die
zwei Tickets für die Jadrolinja Fähre von Dubrovnik zurück nach
Rijeka bereits während unseres Aufenthalts in Korcula
organisiert. Nachdem wir die Kajaks unter Deck verstaut und vertäut
hatten, standen wir an der Reling und blickten zurück auf das
langsam am Horizont verschwindende Dubrovnik.
Am Weg nach Norden kamen wir
an Teilen unserer Kajakroute vorbei, und die erhöhte Perspektive
des oberen Decks eröffnete ganz neue Perspektiven der vielfältigen
Inselwelt. An einem Cappuccino nippend, dachte ich zurück an die
oft anstrengenden Tage auf dem Wasser. Man nimmt eine unbekannte
Landschaft erst richtig wahr, wenn man so langsam darin reist, wie
wir das taten.
Die Fähre benötigte nur 24
Stunden um uns nach Rijeka und somit fast zurück an unserem Ausgangspunkt zu bringen.
Eine letzte Etappe fehlte noch: Die 19 Kilometer zurück nach Medveja. Nachdem die Fähre angedockt hatte, entluden
wir die Kajaks und versuchten einen geeigneten Ort zum Ablegen zu
finden. Als wir einen solchen ausgemacht hatten und gerade dabei
waren die Trolleys (kleine Kajakwagen) zu zerlegen, da kam ein Hafen Offizier auf uns
zu. Er teilte uns mit, dass es hier nicht erlaubt war ins Wasser
zu gehen (nur Tourschiffe, Fähren und Frachter dürfen hier
verkehren).
Ich erklärte ihm die Situation, und die Dringlichkeit hier
abzulegen, um unseren Trip beenden zu können. Es gab für uns
auch keine Möglichkeit die Boote auf eine andere Weise nach
Medveja zu bekommen. Er war wenig erfreut über uns
"Störenfriede" und machte eine
strenge Miene. Aber um uns endlich loszuwerden meinte er, mit einem Wink
auf das Meer hinaus „schaut zum Teufel, dass ihr weiter macht,
und verschwindet von hier so schnell wie möglich“. Wir legten
eine neue Bestzeit im Ablegen hin und verließen den
Gefahrenbereich mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Navigieren war nun nicht
mehr notwendig. Der Kurs verlief quasi nahezu geradeaus. In Opatija
hielten wir für eine letzte kurze Pause, bevor wir dann endlich unseren
Ausgangspunkt erreichten und damit am Ziel angelangt waren. Nach
563 Paddelkilometern umrundeten wir das finale Kap.
Geschafft!
Zum Artikel in englischer Oringinalfassung
(PDF) >>
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