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Chile II

Andenüberquerung - Teil 3

 3.Mai 2007     Über eisige Höhenflüge in die Atacama Wüste

 San Pedro de Atacama, Atacama Desert, Nordchile   

 

"Into thin air."

Krakauer
 
 
 
Paso de Jama, 4270 m
 
Nördlichster Grenzübergang zwischen Argentinien und Chile
 

______________________

Paso de Jama

           Die Nacht ist wie immer sternenklar gewesen. In der Morgendämmerung brechen wir auf. Wir verabschieden uns von Angel und seiner Familie. Kurz später umfahren wir die noch geschlossene Straßensperre beim Zoll. Ein wartender LKW Fahrer blickt verwundert aus seinem Führerhaus am Truck. Unmittelbar danach führt die Straße zum 4270 m hohen Paß hinauf, der die Grenze zwischen Argentinien und Chile darstellt. Das Schild steht aber nicht an der höchsten Stelle. Die Chilenen haben kurz danach einen "Mirador" errichtet, der Blick schweift über die uns noch bevorstehende Strecke. Vulkane sind am Horizont erkennbar. Ja, der Weg ist noch weit.

          Dieser Streckenabschnitt ist der einsamste. Kein Dorf, kein Haus, kein Wasser auf 160 km! Wir haben vor diesen Teil der Andenüberquerung in 3 Tagen zurückzulegen. Rund 35 bis 40 Kilometer soll es am Schluß bis San Pedro de Atacama bergab gehen. Wenn wir täglich mindestens 40 km fahren, dann müsste das funktionieren. Der Wind ist das Hauptproblem. Da er hier anscheinend noch früher einsetzt, oft schon am Vormittag, planen wir eher früher mit der Tagesetappe aufzuhören, als unendlich langsam "gegen Windmühlen anzukämpfen". 

Salar de Quisquiro

          Lange Geraden, leicht bergauf, bestimmen das Streckenprofil zu Beginn der Fahrt in Chile. Nicht wirklich spannend. Eher eintönig. Dann folgt eine kurze Abfahrt zum Salar de Quisquiro , wo wir dem ersten Flamingo begegnen. 

Der einzige Flamingo dieses Salzsees erfreut unser Herz

Auf der windabgewandten Seite der Steinmauer des Aussichtspunktes (Mirador) pausieren wir kurz am Boden. Dann ist wieder bergaufradeln angesagt. Und zwar hinein in windigere Gefilde. Zuerst nur ein paar Böen, dann ein sanftes Dauergebläse, schließlich wütendes Getöse. Der Himmel ist blau, die Sonne strahlt, wie immer ein perfekter Tag, bis auf unseren einzigen "Feind". Die Anden Richtung Westen zu überqueren ist um ein Vielfaches mühsamer, als in umgekehrter Richtung. Diese Naturgewalt im Rücken, würde uns förmlich über das Terrain fliegen lassen. So ist Geduld angesagt.

Begegnungen

          Da kommen uns zwei Motorräder entgegen. Die 2 Paare sind am selben Tag wie wir von der Hosteria in Susques aufgebrochen. Sie sind bereits auf dem Rückweg von San Pedro, wo sie zwei Tage verbracht haben. "Estan vivos !" - "Sie leben noch !", bekommen wir als Begrüßung zu hören. "Natürlich leben wir noch ;-) !!!" Andrea spricht deutsch und meint, sie hätten oft über uns nachgedacht. Wie es uns denn so gehe, erkundigt sie sich. "Es geht,... wenn auch langsam ;-)" Wieso wir denn nicht endlich die Räder auf einen LKW aufladen, dass wir Sportler sind hätten wir eh´ schon bewiesen ?! Das Problem ist, es ist ja nicht so, dass wir nicht mehr vorankommen. Es geht halt mühsam, aber es geht. Wir haben genug Wasser und Essen, ... es gibt also eigentlich keinen triftigen Grund nicht weiterzumachen. (Außer Bequemlichkeit ;-) Sie erzählt von einem Motorradfahrer, der seinen fahrbaren Untersatz auf einen Truck aufgeladen hat, weil er die Maschine bei den Stürmen nicht mehr richtig kontrollieren hat können. Wir plaudern noch ein bißchen, dann trennen sich unsere Wege wieder. Mal sehen, wie weit wir noch kommen werden.

          Nach ein paar weiteren Kilometern ist dann Schluß ... der Wind ist zu stark. Wir beginnen einen Platz für das Zelt zu suchen. Nicht einfach. Die weiten, freien Flächen bieten keinen Schutz. Es gibt keine Felsen hinter denen wir uns verstecken könnten. Schließlich ist neben der Straße ein ca. 1,5 m hoher Wall, über den die ärgsten Böen darüberziehen. Wir bauen also an diesem Platz das Zelt auf - und sind bereits auf 4280 m. Unsere 40 km Tagesleistung haben wir knapp geschafft. Die Nacht wird wieder kälter.

Nachtlager in der Pampa Loyoques

          Das Aufstehen um kurz vor 6 Uhr fällt relativ leicht. Wir kochen wie immer im Vorzelt - der Kocher macht die Temperaturen nur kurzfristig erträglicher. Dann bricht der Alltag wieder über uns herein: Kalte Zehen, die etwas später komplett gefühllos sind. An den Beinen 3, am Oberkörper 4 Schichten Gewand, die einen trotzdem noch lange frieren lassen. Die ersten Sonnenstrahlen auf der wenigen Haut, die nicht vermummt ist. Das Leben kehrt langsam in den Körper zurück. Jetzt können wir auch die Gegend wieder genießen. Wenn auch der Atem immer schwerer wird. Denn die Straßenneigung nimmt rasch zu... und dieser Anstieg ist wohl erst der Beginn des absoluten Höhenrausches. Die Karten sind sich bezüglich der höchsten Höhe nicht einig. Bei den prognostizierten 4600 m ist noch lange nicht Schluß. Wir schrauben uns im wahrsten Sinne des Wortes in eisige Höhen. Erst bei 4843 m geht es nicht mehr weiter hinauf. 

Am höchsten Punkt angelangt -Cerros de la Pacana

Und es geht uns blendend ! Nach einer kleinen Verschnaufpause gehen wir noch die letzten Meter auf den nächsten Gipfel (ein Tipp von einem chilenischen Guide, den wir hier getroffen haben !). Wir blicken von 4900 m auf das Hochplateau, das wir gerade durchquert haben. Eine in ihrer Kargheit doch so schönen Gegend.

- 20°C in der höchsten Zeltnacht auf 4620 m

          Dann folgt eine fast 10 km lange Abfahrt... endlich ! Trotz der immer gegenwärtigen Stürme eine angenehme Abwechslung. Weit fällt die Strecke aber nicht mehr ab. Tiefer als 4600 m geht´s nicht hinunter. 

Salar de Pujsa

Bei der bildschönen Laguna des Salar de Pujsa verweilen wir kurz. Leider eine zu ausgesetzte Gegend (was wie immer die Stürme anbelangt !), sonst hätten wir am liebsten hier die Nacht verbracht. Das Grün der Lagune umrahmt von einem weißen Salzrand kontrastiert mit den braunroten Berghängen im Hintergrund. Malerische Vulkangipfel runden das Bild ab. Wir trennen uns nur ungern von diesem magischen Ort. 

Karge Schönheit

          Nach weiteren 5 Kilometern finden wir wieder nur in kurzer Entfernung zur Straße einen geeigneten Platz für die Nacht neben einem "Salzfluß". Mit Steinen errichten wir einen 1 m hohen Schutzwall, in dessen Windschatten wir unsere Behausung stellen. 4620 m hoch liegt unser bisher höchstes Camp. Und nicht nur die Höhenlage ist extrem. Auch die Temperaturen erreichen ungeahnte Maximalwerte: -20°C draußen, im Zelt -10°C ... nachts. Wird das unsere letzte Nacht gewesen sein ?

Hochlager

 

Das Ziel vor Augen

          "The same procedure as every day ... " - Das Morgenritual wiederholt sich ab kurz vor 6 Uhr. Unsere eisige Routine wird uns trotzdem nicht abgehen ... als wir heute an der Zeltwand angekommen sind, hat es sogar im Zelt geschneit ;-) Bei noch immer -17°C kommen wir heute besonders langsam in die Gänge. Nathalie fühlt sich nicht gut. Aber dabei scheint nicht die Höhe verantwortlich zu sein, ganz im Gegenteil, wir haben das Wasser in Verdacht, das wir in Jama aufgefüllt haben. Die Symptome geben Anlaß eher hier den Schuldigen zu suchen. Auch ich bin träge. Hinauf auf über 4700 m, dann wieder ein bisschen hinunter, und gleich wieder rauf. Die Anstiege ziehen sich. Die 4830 m überschreiten wir dann zum zweiten Mal. Dann geht es aber nicht sofort nur hinunter. Noch einige Bergwertungen sind zu bestreiten, bis wir ab km 40 vor San Pedro de Atacama endlich den finalen Downhill vor uns haben. 

Endlich nur mehr bergab

          Bis auf 2450 m führt die Strecke endlich auf Höhe des Salar de Atacama hinunter. Der Vulkan Lincancabur direkt an der Grenze zu Bolivien mit fast 6000 m Höhe bietet eine faszinierende Kulisse. Das Abenteuer Andenüberquerung geht in seine Endphase. Je tiefer wir kommen, desto wärmer wird es. Auf 28 °C steigt die Temperatur in den tiefen Lagen. Fast 50 °C wärmer, als in der Nacht. Über 35 km Abfahrt liegen hinter uns. Die finalen Kilometer geht es flach dahin. 

San Pedro de Atacama

          In San Pedro de Atacama holen wir uns den Einreisestempel von Chile. Bis wir ein passendes Quartier finden vergeht noch einmal eine Stunde. Über 80 km sind wir heute gefahren. Bei einer Pizza stoßen wir auf das tolle Ende dieser Unternehmung an.

Bald am Ziel

 

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