"Into
thin air."
Krakauer
Paso de
Jama, 4270 m
Nördlichster
Grenzübergang zwischen Argentinien und Chile
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Paso de Jama
Die Nacht ist wie immer sternenklar gewesen. In der
Morgendämmerung brechen wir auf. Wir verabschieden uns von Angel
und seiner Familie. Kurz später umfahren wir die noch
geschlossene Straßensperre beim Zoll. Ein wartender LKW Fahrer
blickt verwundert aus seinem Führerhaus am Truck. Unmittelbar
danach führt die Straße zum 4270 m hohen Paß hinauf, der die
Grenze zwischen Argentinien und Chile darstellt. Das Schild steht
aber nicht an der höchsten Stelle. Die Chilenen haben kurz danach
einen "Mirador" errichtet, der Blick schweift über die
uns noch bevorstehende Strecke. Vulkane sind am Horizont
erkennbar. Ja, der Weg ist noch weit.
Dieser Streckenabschnitt ist der einsamste. Kein Dorf, kein Haus,
kein Wasser auf 160 km! Wir haben vor diesen Teil der
Andenüberquerung in 3 Tagen zurückzulegen. Rund 35 bis 40
Kilometer soll es am Schluß bis San Pedro de Atacama bergab
gehen. Wenn wir täglich mindestens 40 km fahren, dann müsste das
funktionieren. Der Wind ist das Hauptproblem. Da er hier
anscheinend noch früher einsetzt, oft schon am Vormittag, planen
wir eher früher mit der Tagesetappe aufzuhören, als unendlich
langsam "gegen Windmühlen anzukämpfen".
Salar de Quisquiro
Lange Geraden, leicht bergauf, bestimmen das Streckenprofil zu
Beginn der Fahrt in Chile. Nicht wirklich spannend. Eher
eintönig. Dann folgt eine kurze Abfahrt zum Salar de Quisquiro , wo wir dem
ersten Flamingo begegnen.
Der einzige Flamingo
dieses Salzsees erfreut unser Herz
Auf der windabgewandten Seite der
Steinmauer des Aussichtspunktes (Mirador) pausieren wir kurz am
Boden. Dann ist wieder bergaufradeln angesagt. Und zwar hinein in
windigere Gefilde. Zuerst nur ein paar Böen, dann ein sanftes
Dauergebläse, schließlich wütendes Getöse. Der Himmel ist
blau, die Sonne strahlt, wie immer ein perfekter Tag, bis auf
unseren einzigen "Feind". Die Anden Richtung Westen zu
überqueren ist um ein Vielfaches mühsamer, als in umgekehrter
Richtung. Diese Naturgewalt im Rücken, würde uns förmlich über
das Terrain fliegen lassen. So ist Geduld angesagt.
Begegnungen
Da kommen uns zwei Motorräder entgegen. Die 2 Paare sind am
selben Tag wie wir von der Hosteria in Susques aufgebrochen. Sie
sind bereits auf dem Rückweg von San Pedro, wo sie zwei Tage
verbracht haben. "Estan vivos !" - "Sie leben noch
!", bekommen wir als Begrüßung zu hören. "Natürlich
leben wir noch ;-) !!!" Andrea spricht deutsch und meint, sie
hätten oft über uns nachgedacht. Wie es uns denn so gehe,
erkundigt sie sich. "Es geht,... wenn auch langsam ;-)"
Wieso wir denn nicht endlich die Räder auf einen LKW aufladen,
dass wir Sportler sind hätten wir eh´ schon bewiesen ?! Das
Problem ist, es ist ja nicht so, dass wir nicht mehr vorankommen.
Es geht halt mühsam, aber es geht. Wir haben genug Wasser und
Essen, ... es gibt also eigentlich keinen triftigen Grund nicht
weiterzumachen. (Außer Bequemlichkeit ;-) Sie erzählt von einem Motorradfahrer, der seinen
fahrbaren Untersatz auf einen Truck aufgeladen hat, weil er die
Maschine bei den Stürmen nicht mehr richtig kontrollieren hat
können. Wir plaudern noch ein bißchen, dann trennen sich unsere
Wege wieder. Mal sehen, wie weit wir noch kommen werden.
Nach
ein paar weiteren Kilometern ist dann Schluß ... der Wind ist zu
stark. Wir beginnen einen Platz für das Zelt zu suchen. Nicht
einfach. Die weiten, freien Flächen bieten keinen Schutz. Es gibt
keine Felsen hinter denen wir uns verstecken könnten.
Schließlich ist neben der Straße ein ca. 1,5 m hoher Wall, über
den die ärgsten Böen darüberziehen. Wir bauen also an diesem
Platz das Zelt auf - und sind bereits auf 4280 m. Unsere 40 km
Tagesleistung haben wir knapp geschafft. Die Nacht wird wieder
kälter.
Nachtlager in der Pampa
Loyoques
Das Aufstehen um kurz vor 6 Uhr fällt relativ leicht. Wir kochen
wie immer im Vorzelt - der Kocher macht die Temperaturen nur
kurzfristig erträglicher. Dann bricht der Alltag wieder über uns
herein: Kalte Zehen, die etwas später komplett gefühllos sind.
An den Beinen 3, am Oberkörper 4 Schichten Gewand, die einen
trotzdem noch lange frieren lassen. Die ersten Sonnenstrahlen auf
der wenigen Haut, die nicht vermummt ist. Das Leben kehrt langsam
in den Körper zurück. Jetzt können wir auch die Gegend wieder
genießen. Wenn auch der Atem immer schwerer wird. Denn die
Straßenneigung nimmt rasch zu... und dieser Anstieg ist wohl erst
der Beginn des absoluten Höhenrausches. Die Karten sind sich
bezüglich der höchsten Höhe nicht einig. Bei den
prognostizierten 4600 m ist noch lange nicht Schluß. Wir
schrauben uns im wahrsten Sinne des Wortes in eisige Höhen. Erst
bei 4843 m geht es nicht mehr weiter hinauf.
Am höchsten Punkt
angelangt -Cerros de la Pacana
Und es geht uns
blendend ! Nach einer kleinen Verschnaufpause gehen wir noch die
letzten Meter auf den nächsten Gipfel (ein Tipp von einem
chilenischen Guide, den wir hier getroffen haben !). Wir blicken
von 4900 m auf das Hochplateau, das wir gerade durchquert haben.
Eine in ihrer Kargheit doch so schönen Gegend.
- 20°C in der höchsten Zeltnacht auf 4620 m
Dann folgt eine fast 10 km lange Abfahrt... endlich ! Trotz der
immer gegenwärtigen Stürme eine angenehme Abwechslung. Weit
fällt die Strecke aber nicht mehr ab. Tiefer als 4600 m geht´s
nicht hinunter.
Salar de Pujsa
Bei der bildschönen Laguna des Salar de Pujsa
verweilen wir
kurz. Leider eine zu ausgesetzte Gegend (was wie immer die Stürme
anbelangt !), sonst hätten wir am liebsten hier die Nacht
verbracht. Das Grün der Lagune umrahmt von einem weißen
Salzrand kontrastiert mit den braunroten Berghängen im
Hintergrund. Malerische Vulkangipfel runden das Bild ab. Wir
trennen uns nur ungern von diesem magischen Ort.
Karge Schönheit
Nach weiteren 5
Kilometern finden wir wieder nur in kurzer Entfernung zur Straße
einen geeigneten Platz für die Nacht neben einem "Salzfluß".
Mit Steinen errichten wir einen 1 m hohen Schutzwall, in dessen
Windschatten wir unsere Behausung stellen. 4620 m hoch liegt unser
bisher höchstes Camp. Und nicht nur die Höhenlage ist extrem.
Auch die Temperaturen erreichen ungeahnte Maximalwerte: -20°C
draußen, im Zelt -10°C ... nachts. Wird das unsere letzte Nacht
gewesen sein ?
Hochlager
Das Ziel vor Augen
"The same procedure as every day ... " - Das
Morgenritual wiederholt sich ab kurz vor 6 Uhr. Unsere eisige
Routine wird uns trotzdem nicht abgehen ... als wir heute an der
Zeltwand angekommen sind, hat es sogar im Zelt geschneit
;-) Bei noch immer -17°C
kommen wir heute besonders langsam in die Gänge. Nathalie fühlt
sich nicht gut. Aber dabei scheint nicht die Höhe verantwortlich
zu sein, ganz im Gegenteil, wir haben das Wasser in Verdacht, das
wir in Jama aufgefüllt haben. Die Symptome geben Anlaß eher hier
den Schuldigen zu suchen. Auch ich bin träge. Hinauf auf über
4700 m, dann wieder ein bisschen hinunter, und gleich wieder rauf.
Die Anstiege ziehen sich. Die 4830 m überschreiten wir dann zum
zweiten Mal. Dann geht es aber nicht sofort nur hinunter. Noch
einige Bergwertungen sind zu bestreiten, bis wir ab km 40 vor San
Pedro de Atacama endlich den finalen Downhill vor uns haben.
Endlich nur mehr bergab
Bis
auf 2450 m führt die Strecke endlich auf Höhe des Salar de
Atacama hinunter. Der Vulkan Lincancabur direkt an der Grenze zu
Bolivien mit fast 6000 m Höhe bietet eine faszinierende Kulisse.
Das Abenteuer Andenüberquerung geht in seine Endphase. Je tiefer
wir kommen, desto wärmer wird es. Auf 28 °C steigt die
Temperatur in den tiefen Lagen. Fast 50 °C wärmer, als in der
Nacht. Über 35 km Abfahrt liegen hinter uns. Die finalen
Kilometer geht es flach dahin.
San Pedro de Atacama
In San Pedro de Atacama holen wir uns den Einreisestempel von
Chile. Bis wir ein passendes Quartier finden vergeht noch einmal
eine Stunde. Über 80 km sind wir heute gefahren. Bei einer Pizza
stoßen wir auf das tolle Ende dieser Unternehmung an.
Bald am Ziel
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