Am 26.Jänner geht es dann schließlich los.
Wir
verabschieden uns von Eliana, bei der wir in der Hospedaje "Vista al Mar"
so liebevoll mit selbstgebackenem Brot und hausgemachter Marmelade versorgt
worden sind. Die Straßen in Puerto Montt sind stellenweise sehr steil, so
bremsen wir uns vorsichtig dem Meer entgegen. Wir müssen uns erst wieder an die
schweren Räder gewöhnen. Gestern hat es noch einmal ausgiebig geregnet. Heute
ist der Himmel zwar bedeckt, aber es scheint ein schöner Tag zu werden.
"Ripio"
Anfangs geht es immer dem Meer entlang und zwar flach.
Herrlich ! Es ist windstill, so kommen wir gut voran. Dann tauchen auch noch
Delphine neben uns in der Bucht auf - fast schon kitschig ist der Beginn der
ersten Radetappe in Südamerika. Die ersten Steigungen bringen uns noch kaum aus
der Puste. Hier auf den gut asphaltierten Straßen wärmen wir uns auf, für das
was uns bald bevorsteht. Denn nach nur 34 km ist Schluß mit "sanft
dahingleiten" ... ab jetzt wird gerumpelt und zwar ordentlich. Ab Quillaipe
lernen wir das kennen, was für die Carretera Austral so typisch ist. "Ripio"
nennen die Chilenen den Belag ... "Schotter" ist nicht der optimale
Begriff dafür, denn die Bandbreite an verwendeten "Gesteinsfomen" ist
groß: Von feinem Kiesel bis zu faustgroßen Steinen, von sandartigen Passagen
bis zu schwarzer Lavaasche, und das meist als "Wellblechpiste" -
Radlerherz was willst du mehr !?
Nach den ersten Metern sind wir entsetzt. Wir haben in etwa
gewußt, was uns erwarten wird, doch mit so schlechten Verhältnissen hätten
wir nicht gerechnet. Wollen wir das wirklich ?!? Zu allem Übel herrscht am
Anfang auch noch relativ viel Verkehr. Die vorbeidonnernden Pick-Ups , LKWs,
Busse und 4WDs wirbeln eine Menge Staub auf. Oft weichen wir auf den noch
loseren Randbereich der Straße aus und müssen dann stehen bleiben, da die
Reifen tief im Geröll verschwinden, denn viele Autofahrer finden es nicht der Rede
wert, ihre Geschwindigkeit auch nur um einen Deut zu verringern. Wir verlieren uns
in den Staubwolke, die sie aufwirbeln.
Malerische Buchten säumen den Weg
Die Gegend entschädigt für die Strapazen. Die Ausblicke in
die Bucht sind toll, der Wald reicht dicht bis an die Straße heran. Greifvögel
kreisen um die höchsten Wipfel der Baumriesen. Nach etwas 45 km erreichen wir
die erste Fähre. Im Halbstundentakt kann man auf die andere Seite übersetzen.
"Roll On" - Fähre
Die zerrissene Küstenlinie der Fjorde und Inseln Nordpatagoniens macht
Schiffspassagen noch zur Notwendigkeit. Wir rollen auf die Autofähre und schon
legt diese ab. Mittlerweile strahlt die Sonne vom Himmel. Gletscher bedecken die
Gipfel der Berge im Osten, im Bereich der Grenze zu Argentinien. Regenwälder
lassen die Hänge der Ufer nahezu undurchdringlich erscheinen.
Das ewige Eis der Gletscher Patagoniens
Wir sind die letzten, die das Fährschiff verlassen. Langsam
wird es spät. Um diese Zeit, ca. 17 Uhr , ist es in Marokko bereits dunkel
gewesen. Die langen Sommertage sind noch ungewohnt für uns, die bis jetzt im
Winter der Nordhalbkugel unterwegs gewesen sind. Wir beginnen mit der
Zeltplatzsuche. Für heute haben wir genug von dem ewigen Gerumpel am Rad. Im
Bereich einer Fischerbucht werden wir fündig. Das Stückchen Wiese liegt knapp
oberhalb des Kiesstrandes. Zwar eher knapp neben der Straße, aber durch Büsche
geschützt. Ein kleines Stück zur Piste ist eingezäunt, so fragen wir im
nächsten Haus, ob wir hier unser Zelt aufschlagen dürfen. Daumen hoch, ist die
Antwort. Und wenn wir Wasser brauchen, sollen wir Bescheid geben. Wir sind
begeistert, ob der freundlichen Zusage und bauen unser Lager auf. Und wieder
tummeln sich Delphine direkt vor unseren Augen im Wasser. Als dann die Sonne
golden hinter einer Wolke am Horizont versinkt, machen wir noch ein Lagerfeuer .
Bis spät in der Nacht sind wir noch auf und lauschen dem Klang der Wellen. Wie
weit werden wir auf dieser Strecke in den Süden vordringen ? Warten wir einmal
ab, was der nächste Tag alles bringen wird.
Fischfarm vor dem Zelt
Ein
entgegenkommender Radler, der von Ushuaia nach Norden unterwegs
ist, hat uns diesen Teil der Carretera als sehr bergig
beschrieben. Und er hat nicht unrecht. Bald führt die Carretera
von der Küste weg. Ab jetzt geht es zumeist bergauf. Unterbrochen
werden die stellenweise äußerst steilen Anstiege auf losem
Untergrund nur kurz von kleinen Abfahrten, die einem gerade die
nötige Pause für den nächsten Hügel gönnen. Schwitzend, denn
die Sonne brennt recht kräftig vom Himmel, strampeln wir durch
dichte Wälder. Das Gleichgewicht zu halten ist nicht immer
leicht. Als zusätzliches Übel gibt es hier Pferdebremsen, die
sich, unerbärmlich nach unserem Blut dürstend, auf uns stürzen.
Gerade wenn man beide Hände am Lenker braucht um nicht
umzufallen, wird das ewige Gesumme der Plagegeister mehr als nur
nervig. Aber im Sommer muß man die lästigen Insekten notgedrungen in Kauf
nehmen. Schließlich zwingen uns dann immer wieder mal Autofahrer
dazu, von unserer sehr individuelle Streckenführung (wir wechseln
die Straßenseite der ca. 1,5 Spuren breiten Piste je nach
Belagsqualität ;-) abzulassen und an den Rand zu fahren. Bei
Steilstücken kann das das absolute Stop bedeuten. Ich fluche !
Mein Rad lässt sich hier kaum mehr schieben. Ich rutsche mit den
Schuhen im tiefen Schotter immer wieder ab. Ziehe und drücke ...
zum Glück passiert das nicht allzu oft. Lieber quäle ich mich
FAHREND die steilsten Wegpassagen hinauf, als dieses Ungetüm zu
schieben ;-)
Puerto Austral
Am
späten Nachmittag erreichen wir Puerto Austral, einen kleinen
Fischerort. Die Bucht ist malerisch. Als wir am Lagerfeuer vor dem
Zelt sitzen sehen wir dann, wie ein Komet mit seinem riesigen
Schweif den Nachthimmel erhellt. Was für ein Naturschauspiel.
Bis
Hornopiren sind es am nächsten Tag nur ca. 16 km. Hier müssen
wir wieder auf ein Fährschiff. Jeden Tag um 15 Uhr legt das Boot
ab. Fast 6 Stunden dauert die Überfahrt. Wir lernen Werner
kennen. Mit seinen 59 Jahren ist er ein wahrer Radveteran. Von
Alaska bis Feuerland, von Deutschland nach Indien,... und jetzt
gerade wieder ein halbes Jahr durch Südamerika. Wir lauschen
seinen Geschichten und holen uns wertvolle Tipps aus erster Hand.
Als wir um ca. 21:30 Uhr endlich in Caleta Gonzalo ankommen ist es
fast finster. Dunkle Wolken hängen schon seit geraumer Zeit über
den imposanten Gipfeln der Umgebung. Am Campground in nur 300 m
Entfernung bauen wir schnell das Zelt auf. Da beginnt es auch
schon zu regnen. In der Nacht gehen zeitweise heftige Regengüsse
auf uns nieder.
Wackelige Hängebrücke
beim Parque Pumalin
Wir
befinden uns an den Toren des "Parque Pumalin", einem
Naturpark. Zwei Amerikaner haben sich hier einen Lebenstraum
erfüllt. Sie kauften einen riesige Menge Land und funktionierten
es zu einem geschützten Gebiet um. So soll die Natur vor
Zerstörungen geschützt bleiben. Erst seit 2005 existiert der
Park in dieser Form. Eintritt zahlt man keinen, doch gibt es mit
einigen Campgrounds eine gewisse "Infrastruktur". Wir
entschließen uns an diesem Tag nur kurz zu fahren. Wir wollen zu
Fuß den dichten Regenwald erkunden.
Rainforest
Beim Radfahren sieht man oft
vor lauter Wald die einzelnen Bäume nicht. Vom Camp Escondidas
aus zeigt sich der Wald auf einem engen Pfad von seiner "dschungeligen"
Seite. Mit gut 5000 mm Niederschlag jährlich kommt der Ausdruck
"Regenwald" nicht von ungefähr. Und Regen ist auch
unser Begleiter auf den verschlungenen Wegen zu entlegenen
Wasserfällen.
Wir
haben uns mittlerweile wieder gut an das Fahren gewöhnt. Das
ewige Auf und Ab der Ruta 7 ist unser täglich Brot ... und es
beginnt uns zu schmecken ;-) Es ist hart, aber wir arrangieren uns
mit den Verhältnissen. Bremsen hin oder her, Schlaglöcher, fast
flußbettartige Straßenverläufe ... das gehört hier einfach
dazu. Immerhin herrscht aufgrund der nur einmaligen Fährfahrt
täglich ein deutlich reduziertes Verkehrsaufkommen.
Durch dichte Wälder
Immer wieder
sind wir lange Zeit ganz allein unterwegs. Wir passieren
zwei Seen (Lago Nero und Lago Blanco) . Vorbei an dem
gletscherbedeckten Vulkan Minchinmahuida, 2404 m, der nicht ganz
aus der Wolkendecke hervortreten will, geht es wieder dem Meer
entgegen. Kurz vor dem verschlafenen Ort Chaiten, wo wir unsere
Essensvorräte auffüllen müssen, entdecken wir einen
Campingplatz direkt am Meer.
Nathalie vor Volcano
Corcorvado, 2300 m
Der Vulkan Corcovado, 2300 m,
dominiert mit seinem spitz zulaufenden Krater den Horizont zur
Linken. Wir sind fast allein.
Eine Gruppe Delphine patroulliert in
gemächlichen Tempo im Meer dem Strand entlang, Seehunde recken
ihre Köpfe aus dem Wasser. Reiher tauchen pfeilschnell in die
Tiefen hinab. Und das alles passiert unmittelbar vor unserem Zelt.
Diese ruhige Stimmung in dieser halbmondförmigen Bucht fasziniert
und so, daß wir den nächsten Tag auch noch bleiben. Ivan, der
chilenische Platzverwalter mit russischem Namen, fragt, ob er uns
etwas aus dem nächsten Ort mitbringen kann. Gerne nehmen wir das
Angebot an. Unsere Vorräte neigen sich nämlich dem Ende zu. Wir
frönen den Tierbeobachtungen, genießen die Sonne Patagoniens,
kämpfen allerdings auch hier mit Pferdebremsen. Am zweiten Abend
lädt uns Ivan ein, mit seiner Familie gemeinsam einen
"Sierra" zu probieren. Dieser Raubfisch hat die
beeidruckende Länge von 1,20 m und wird "asado"
zubereitet, also über dem Feuer. Ein Gaumenerlebnis der
besonderen Art. Wir trinken ein Glas argentinischen Rotwein dazu
und kommen erst sehr spät in den Schlafsack.
Am
1.Februar treffen wir dann nach nur knapp über 6 km Fahrt in
Chaiten ein. Die erste Woche Carretera Austral haben wir nun
hinter uns. Einige Nerven hat sie uns gekostet, aber viel mehr
haben wir von der faszinierenden Gegend und ihren Einwohnern
zurückbekommen.
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