Gewitter, Stürme und Wolkenbrüche - das Wetter machte es uns von Anfang an nicht leicht. Schon während
der langen Autofahrt von Wien (Österreich) nach Kroatien versuchten
wir einem nahenden Unwetter zu entfliehen. Kaum hatten wir die Grenze
passiert, wich der schon gewohnte heftige Regen donnernden
Hagelschauern. Diese weitere Laune der Natur zwang uns dazu, die
Fahrt nun im Schritttempo fortzusetzen. Am Campingplatz in Medveja,
südwestlich von Rijeka, kamen wir erst sehr spät am Nachmittag an.
Ein Schönwetterfenster am nächsten Tag wog uns beim
Ablegen vom nahen Strand mit unseren Seekajaks in Sicherheit. „Gutes
Timing“, dachten wir. Jedoch nach nur einer Stunde am Wasser
verdunkelte sich der Himmel immer mehr, bevor er schließlich
erneut seine Pforten öffnete. Wir querten trotzdem vom Festland
zur Insel Cres. Dort fanden wir dann zum Glück bald einen malerischen Strand
und errichteten unser
Camp für die Nacht.
Am
Abend kam noch einmal die Sonne hervor
Am nächsten Tag, näherte
sich uns ein Fischerboot von Achtern (d.h. von hinten ;-). Der
Kahn tanzte förmlich auf den Wellen, wurde von den größeren
hochgehoben, nur um kurze Zeit später ins nächste Wellental zu fallen.
Obwohl wir von der Steilküste relativ weit entfernt waren,
herrschte das unregelmäßige Wellenmuster einer heftigen Kreuzsee
(Klapotis) vor. Der Fischer hinter dem Steuer winkte wild mit
seinen Armen, während er versuchte sein Boot auf Kurs zu halten.
Der heulende Wind machte es nahezu unmöglich, zu verstehen, was
er in unsere Richtung rief:“… die Bora … an Land…“. Ich
wusste, dass es keinen Sinn machte zu antworten, deshalb hob ich
nur den Daumen hoch, um ihm zu zeigen, dass alles in Ordnung sei
und winkte zurück.
Wir paddelten nun seit ungefähr
vier Stunden durch - das Wetter wurde zunehmend schlechter. Die Bora,
ein berüchtigter Fallwind, stellte eine immer lauernde Gefahr auf
unserer Reise dar. Vor allem in den nördlichen Teilen der Adria,
wo am Velebit Gebirge zwei verschiedene Klimazonen aneinander
prallen: Zum Einen das Kontinentalklima, mit seinen signifikanten
Tag-Nacht-Temperaturunterschieden, und auf der anderen Seite das
milde mediterrane
Klima. In dieser sensiblen Zone kann, unter bestimmten
meterologischen Bedingungen, dann das
Phänomen Bora entstehen. Ein riesiges Tiefdruckgebiet hatte
Zentraleuropa nun schon seit Wochen fest im Griff. Die Randbereiche
eines solchen Tiefs sind eine gefährlich-sensible Zone, die schnell als Auslöser
für den gefürchteten, weil so plötzlich auftretenden Sturm,
fungieren können. Jedes Jahr fordert die Bora das Leben von
unachtsamen Seefahrern, die vergessen, auf die untrügerischen
Zeichen am Himmel zu achten.
Die
Bora im Anmarsch
Der Fischer schüttelte ungläubig
den Kopf und setzte dann seine Fahrt ans südliche Ende einer großen
Bucht fort, wo er Schutz suchte. Die Seetauglichkeit unserer
„kleinen“ Kajaks wird oft unterschätzt - vor allem von
Einheimischen, die solche Boote kaum kennen. Wir blieben auf
Kurs in Richtung eines felsigen Kaps auf der Westseite der Insel,
um die geschützte Bucht dahinter zu erreichen. Die
Windgeschwindigkeiten nahmen weiter zu - bis zu 30 Knoten Wind bei
1,5 m hohen Wellen. Wir stemmten uns mit dem Oberkörper gegen den
Sturm, und dem Paddel gegen die immer wieder brechenden Wellenberge.
Nach zwei weiteren, äußerst
anstrengenden Kilometern, umrundeten wir das angepeilte Kap und landeten mit
unseren Kajaks auf einem eigentlich idyllischen, halbmondförmigen
Strand an. Die windabgewandte Lage schützte uns vor dem tobenden
Sturm. Sicherheitshalber suchten wir gleich einmal die Umgebung
nach einem Platz für unser Zelt ab – nur für den Fall, dass
uns die Bora hier festnageln würde. Von einer Anhöhe hatten wir
einen guten Ausblick weit auf das bedrohlich wirkende Meer hinaus.
Brechende Wellen soweit das Auge reichte. Eine plötzliche Böe
wehte mich fast vom Aussichtspunkt. Zeit, um diesen exponierten
Platz zu verlassen, zum geschützten Strand zurückzukehren
und etwas auszuruhen.
Die heulende Bora ist der
unangefochtene Herrscher der riesigen Kvarner Bucht in der nördlichen
Adria, welche im Westen an die Halbinsel Istriens und im
Osten an das Festland Kroatiens grenzt. Die Nähe zu Zentral- und
Westeuropa und das zumeist milde Klima sind die Gründe, warum
Kvarner schon immer ein beliebtes Reiseziel gewesen ist. Bereits in den Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie im
19.Jahrhundert suchten Reisende diese Region auf. Die Bucht repräsentiert sozusagen das Tor zu
den 1000 Inseln der kroatischen Küste.
Cres, die zweitgrößte Insel
der Adria, ist eine der ursprünglichsten Gegenden in der
Region und ein wahres Naturparadies - wo man unter anderem über 90
Vogelspezies finden kann. Neben Adlern, Falken und Eulen,
ergattert man vielleicht auch einen Blick auf die seltenen Wollkopfgeier. Hier
nisten sie, ungewöhnlicherweise, auf Felsen direkt neben dem
Meer.
Die geologisch
vorherrschenden Gesteinsarten sind Kalkgestein und Dolomit, welche
eine Karstlandschaft mit steilen Klippen bilden (vor allem an der
Westküste). Diese Steilwände sind auch der Grund für das Entstehen
von stehenden Wellen, welche als Klapotis bezeichnet werden.
Zusammen mit dem nie enden wollenden Wind, erschwerte uns dieses
Phänomen während der ersten zwei Tage das Vorankommen
erheblich.
Warten
auf bessere Bedingungen
Nachdem wir rund eineinhalb
Stunden zwangsläufig rasten mussten, schien es als ob sich die
Bedingungen so weit gebessert hätten, dass wir die Querung der
Bucht von Valun zum Kap Pernat wagen konnten. Mit einem Seal-Launch* verließen wir den Strand, um aus dem kleinen
geschützten Hafen zu paddeln. (* Ein Seal-Launch ist einen
spezielle Art des Ablegens mit dem Kajak: Im trockenen setzen wir
uns in die Kajaks, verschließen diese mit der Spritzdecke und stoßen uns ab.
Aufgrund der Steilheit des Strandes rattern wir auf dem groben
Kies Richtung Wasser um dort zuerst mit dem Bug einzutauchen und
so aufs Wasser zu gelangen. Die Bezeichnung kommt daher, dass
Seehunde („Seals“) ebenso ins Wasser gleiten können - „to
launch“
engl. für ablegen)
Nicht weit von der Küste
entfernt, nahm die Wellenhöhe rasch zu und die starken Windböen
waren lästige Begleiter. Immer wieder ergoß sich die weiße
Gischt brechender Wellen auf unsere Kajaks. So wurde sogar eine
Distanz von nur 3 nautischen Meilen (1 nautische Meile [nm] = 1,8
Kilometer [km]) zu einer großen Herausforderung, vor allem da so konzentriertes Paddeln erforderlich
war, um nicht zu Kentern.
Wir kamen erschreckend
langsam voran. Ich war mir nicht mehr so sicher, ob wir die
richtige Entscheidung getroffen hatten. Ein kurzer Blick über
meine linke Schulter half mir, wieder etwas Hoffnung zu schöpfen.
Wir waren bereits in der Mitte der Bucht und ein Umdrehen wäre
schwieriger gewesen, als den Weg fortzusetzen. Das Wissen um
unseren Fortschritt gab uns einen Energieschub und wir
konzentrierten uns auf die zweite Hälfte der Querung.
Umso näher wir dem Kap
kamen, desto unangenehmer wurden wieder einmal die dort reflektierten
Wellen. Der Bug meines Kajaks tauchte
tief in die aufgewühlte See und es wurde immer schwieriger ein
Kentern zu verhindern und so vom tobendem Meer verschlungen zu
werden. Schließlich umrundeten wir das Kap und ein weiter Strand
war unsere hart verdiente (erpaddelte) Belohnung. Weiter wollten
und konnten wir heute nicht mehr kajaken, deshalb schlugen wir
unser Zelt auf, müde aber glücklich. Dunkle Wolken ballten sich
am Horizont einmal mehr zusammen und kurz nachdem wir den Eingang unseres
Zelts verschlossen hatten, begann es zu regnen.
Gigantische Blitze erhellten
den Nachthimmel. Der Wind drehte und blies die gesamte Nacht
durch. Zum Glück hatten wir das Zelt gut abgespannt. Wir
schliefen nicht viel in dieser Nacht und fühlten uns am Morgen
wie gerädert. Nach der üblichen 2-Stunden-Morgenroutine des
Aufstehens, Frühstück Zubereitens, Packens und Beladens der
Kajaks, kletterten wir eine steile Bergflanke hinauf, um mit einem
großartigen Ausblick belohnt zu werden - zurück auf das Teilstück,
welches wir gestern gepaddelt waren.
Die nächste Tagesetappe
führte uns weiter Richtung Süden, entlang der Westküste von
Cres. Wagemutige Versuche unsere Kajaksegel zu setzen, währten
nicht lange, da die böigen Fallwinde von den Bergen dies nicht
zuließen. Das Risiko zu Kentern wäre zu groß gewesen. Beim Annähern
an die Insel Losinj beschlossen wir auch dort entlang der Westküste
zu paddeln, da wir uns hier mehr Schutz vor der Hauptwindrichtung
erhofften – die Bora ist ein Nord bis Nordostwind.
Während der
Querung zum Kap Osor, machten wir uns gerade für eine kurze Rast am Wasser bereit,
als wir bemerkten, dass sich ein Polizeiboot mit hoher
Geschwindigkeit näherte. Es war entlang der Westküste
patroulliert, bevor es plötzlich den Kurs geändert hatte. Der Grund für
den Abstecher war aber nur Neugier und Interesse an unseren
Kajaks. Die Polizisten wünschten uns viel Glück und brausten
kurz darauf auch schon wieder davon. Dann schaffte es die Sonne
durch die Wolkendecke zu brechen und wir entdeckten einen malerischen
Strand am Fuße einer markanten Bergkette. Der Strand war so
schmal, dass wir nur mit Mühe eine Plattform für unser Zelt
schaffen konnten. Aufgrund der Westausrichtung genossen wir einen
fantastischen Sonnenuntergang. Die Wettervorhersage am VHF-Funkgerät
versprach eine sich bildende Hochdruckphase.
Strahlend blauer Himmel
erwartete uns am Morgen des vierten Tages. Wir genossen die
Morgensonne und versuchten die Stimmung dieses Moments mit dem
Fotoapparat einzufangen. Schon bald auf der Weiterfahrt erreichte
die Temperatur fast 40°C und es herrschte absolute Windstille. Das Paddeln
in dieser brütenden Hitze war mühsam. Sandiger Meeresgrund nahe
des Ufers war der Grund für die plötzliche Änderung der
Wasserfarbe von Tiefblau auf Türkis – eine willkommen
Abwechslung für das Auge.
Das Wasser der kroatischen
Adria ist kristallklar. Zumeist wird der typisch felsige Meeresgrund nur
von Seegras unterbrochen, was zu unterschiedlichen Grün- und
Blautönen führt. Der Meeresboden ist auch bei großer Tiefe noch
sichtbar und die Sonnenstrahlen führen zu immer wechselnden
Reflexionen bei ruhiger Wasseroberfläche. Als wir den
Eingang zu einer versteckten Lagune passierten, stachen uns strahlend
weiße Felsformationen ins Auge. Ein schmaler Eingang führte hinein und wir machten eine kurze Pause. Gestärkt brachen wir
zur finalen Querung in Richtung eines kleinen Leuchtturms auf, welcher einen
Kanal für größere Schiffe markiert. Große Boote müssen um
eine Landzunge herumnavigieren um in den Hafen von Mali Losinj,
eine kleine Fischerstadt, zu gelangen.
Mali
Losinj
Plötzlich erblickten wir
eine riesige Autofähre, welche um eine Landzunge manövrierte. Wir
befanden uns in der Mitte des Kanals und begannen sofort "mit
voller Kraft voraus" loszupaddeln, heraus aus der Gefahrenzone. Schnell
erreichten wir sicheres Terrain, angetrieben auch von steilen
3-Meter Wellen, welche durch den Bug der Fähre aufgeworfen
wurden.
Schließlich gelangten wir in
eine Bucht, wo wir mit unseren Booten an einem Kiesstrand voll mit
sonnenbadenden Touristen anlandeten. Beobachtet von den
neugierigen Blicken der Campingplatzgäste entluden wir die Kajaks
und trugen die Ausrüstung die steilen Treppen zu einer einfachen
Holzhütte empor. Was für ein Vergnügen, den Sonnenuntergang von
der kleinen, privaten Terrasse aus zu beobachten, und zwei eiskalte Dosen
Cola zu genießen.
Gut erholt setzten wir unseren Weg entlang der Westküste
Losinjs nach einem Ruhetag fort. Ein konstanter Gegenwind bremste unser Vorankommen etwas. Nahe am Ufer paddelten wir entlang der felsigen Küste mit
der so typischen Vegetation: Macchie, mediterranes Buschland ist an der
kroatischen Küste dominierend, perfekt angepasst an den steten
Wind und die salzige Meeresluft. Das dichte Buschwerk besteht
unter anderem aus Salbei, Wacholder und Myrtegewächsen.
Von Losinjs Südspitze querten wir
zuerst zur kleinen Insel Ilovik, dann weiter zum Eiland Grujica
mit seinem Leuchtturm, um schließlich nach Premuda überzusetzen.
Mit einer merkbare Strömung gegen uns auf den letzten
Kilometern, erreichten wir unser geplantes Tagesziel, eine fingerförmige
Bucht mit drei schmalen Stränden. Angeschwemmter Unrat und Müll
waren eine unangenehme Überraschung. Zu müde, um den Weg
fortzusetzen, landeten wir an dem am wenigsten zugemüllten Strand
an und räumten gleich einmal etwas auf. Zum Glück machten wir so einen unschönen
Anblick kein zweites Mal auf dieser Reise.
Und dann auch noch ein
"medizinischer Notfall": Die
Haut auf Nathalies Armen zeigte auf einmal eine ungewöhnliche Rötung.
Flüssigkeitsgefüllte Blasen mit bis zu einem Zentimeter
Durchmesser bildeten sich und bedeckten Teile ihrer Unter- und
Oberarme. Wir verwendeten einen Sonnenschutz mit sehr hohem
Lichtschutzfaktor und es sah auch nicht aus wie ein typischer
Sonnenbrand. Vielleicht eine Art von phototoxischer Reaktion auf
einen Bestandteil der Sonnencreme in Kombination mit dem
kontinuierlichen Kontakt zur salzigen Luft, Salzwasser und
Schweiß?!
Wir behandelten die Haut mit einer Salbe und schützten sie mit
einem Verband. Die Sonne war bereits untergegangen, als wir diese
Prozedur beendet hatten. Wir waren erschöpft.
Am nächsten Tag standen wir
sehr zeitig auf, um so früh wie möglich am Wasser zu sein. Die
selbe Hitze, der selbe Gegenwind, das selbe Buschland. Nicht
wirklich gut erholt, bewegten wir uns inselhüpfend entlang der äußeren
Inseln voran. Eine verrückte Felsformation sorgte
für ein kurzes Stimmungshoch.
Nach einer kurzen Pause auf dieser
festungsartigen Insel, setzten wir die Fahrt fort. Noch immer
nicht sehr motiviert, beschlossen wir, heute früh Schluss zu
machen, um uns die schwindenden Kräfte zurückzuholen. Kartoffelpüree,
geschnittene Hartwurst und Knoblauch halfen. Ich spannte das Tarp
auf, um uns gegen die brennende Sonne zu schützen und wir machten
ein Nickerchen im „kühlenden“ Schatten. Am folgenden Tag
sollten wir Dugi Otok erreichen, die „Lange Insel“. Diese größte Inseln
des Archipel von Zadar im nördlichen Dalmatien ist 45 Kilometer lang
und knapp 5 Kilometer breit. Noch immer waren wir unentschlossen,
ob es besser wäre den Kanal an der Ostseite zu paddeln oder an
der äußeren Küste im Westen zu bleiben.
Eine frische Brise aus Norden
zum Morgengrauen half uns bei dieser Entscheidung. Wir navigierten
durch den Kanal im Osten, denn das erlaubte uns den Wind voll
auszunützen, der uns zur Abwechslung einmal wohlgesonnen war. An der Außenküste
würde das bergige Inselinnere als Windschild fungieren und hätte uns
den kraftvollen Reisebegleiter großteils abgehalten. Wir setzten unsere
Segel und machten uns davon. Sanft lehnten wir uns in den Wind –
unser Paddel verwendeten wir nur gelegentlich als Ausleger, wenn
plötzliche Böen uns umzuwerfen versuchten. Was für eine Fahrt!
Mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 5 bis 7 Knoten,
genossen wir die vorbeiziehende Küstenlandschaft, während wir
gerade mal das Steuer mit den Füßen bedienten und gelegentlich
die Segel trimmten.
Ungefähr zu Mittag, ließ uns eine Flaute in
Schweiß ausbrechen. Das Thermometer war wieder in die oberen 30er
gestiegen und wir suchten die Küste nach einem schattigen
Fleckchen Erde für ein Rast ab. Verschwitzt fanden wir ein
kleines Wäldchen hinter den Überresten eines früheren Stegs.
Nach einer kurzen Mittagspause nahm der Wind wieder zu und wir
machten uns erneut auf den Weg. Mit Wind in den Segeln kamen wir gut
voran. Die Zeit verging wie im Flug, während wir uns der Südspitze
Dugi Otoks näherten.
Weiter zu Teil
2 - Entlang
der Inselwelt der Kornaten bis zur "Perle der Adria" >>