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Von den Dolomiten durch die Poebene ...

 

 

... zum Mittelmeer

 

 

Reiseverlauf "Italien 2006" in chronologischer Reihenfolge:

Von Südtirol über den Apennin bis ans Mittelmeer

 

 

  10.Oktober     "Viva Italia" ... von den Dolomiten zum Gardasee    
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  19.Oktober   Durch die Poebene, über den Apennin ... ans Mittelmeer    
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  24.Oktober    Die letzten Tage in Europa   
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  Wo sind wir

Unsere Reiseroute und die aktuelle Position   >>

 
 

 

 

 

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 Di. 10.Oktober 2006   "Viva Italia" ... von den Dolomiten bis zum Gardasee 

Malcesine, Lago di Garda - Italien  

 

          Als wir kurz bei Toblach den Blick nach Süden in das Val di Landro wenden, erkennen wir die "Drei Zinnen" am Horizont. Die Wolkendecke verdichtet sich immer mehr. Der Wind hat weiter aufgefrischt. Erste Regentropfen sind nur ein weiteres Zeichen, der sich schon den ganzen Tag langsam ankündigenden Wetterverschlechterung. Die Nacht ist stürmisch - am Morgen ist alles naß. 

Burg über Klausen/Chiusa

          Von Valdaora geht es am 4.Oktober entlang des Flusses Rienza weiter Richtung Brixen. Vor der Mündung der Rienza in die Eisack läßt die Beschilderung des sonst gut bezeichneten Radweges zu wünschen übrig. Vor einem Schild "nach Sterzing" bleiben wir verwundert stehen. Sterzing liegt weit nördlich im Valle Isarco (Eisacktal), ab vom Weg. Wir beschließen über die Landstraße auszuweichen. Schon bei der Auffahrt donnern einige LKWs knapp an uns vorbei. Wir fahren äußerst rechts. Es geht flott dahin. Da nur mehr wenige Kilometer bis Brixen vor uns liegen, nehmen wir den Spätnachmittagsverkehr als notwendiges Übel in Kauf. Wir sind ja bald durch. Aufgrund der geschützten Lage zwischen zwei Hügeln, bemerken wir den Sturm nicht, der an Intensität noch einmal zugenommen hat. In der Nähe von Schabs führt eine Brücke über das Eisacktal. Bei der Auffahrt trifft uns die Gewalt der Luftmassen wie ein Schlag ins Gesicht. Durch das Eisacktal kanalisiert, ist hier so etwas wie ein gigantisches Gebläse entstanden. Ich versuche mich gegen den seitlich einfallenden Wind zu stemmen. Das Gleichgewicht zu halten wird immer schwieriger. Der Lenker gleicht die Windstösse reflexartig aus - die Autos und Lastwägen schießen im Zentimeterabstand links an uns vorbei. Die Leitplanke zur Rechten streift fast unsere Anhänger. Mit jedem Meter wird die Kraft des Windes stärker. Ich werde langsamer, um die Kontrolle über das Gefährt nicht vollends zu verlieren. Als ich zu Nathalie, die vor mir fährt, hochblicke, sehe ich sie wackelig, aber entschlossen, dem anderen Ende der Brücke zustrampeln. Mich verlässt die Zuversicht, mein "long vehicle" auf der Spur zu halten. Ich bremse und bleibe stehen. Wegen des ununterbrochen vorbeizischenden Verkehrs, traue ich mich gar nicht, mich umzudrehen. Vorsichtig steige ich rechts ab und beginne zu schieben. Mein Rad, schützend zwischen der rasenden Meute und mir, vermittelt mir ein bisschen das Gefühl, nicht gänzlich ungeschützt zu sein. Nathalie hat inzwischen zitternd das Ende der Brücke erreicht. Ich bin froh, daß sie in Sicherheit ist und setze meinen Weg unbeirrt gehend fort. In den Rückspiegel schauen, geschweige denn mich umdrehen, traue ich mich nicht. Was würde es ändern ? Ich nähere mich nur langsam der anderen Talseite. Als ich zu Nathalie aufschließe endet der wütende Sturm so plötzlich, wie er angefangen hat. Das Gebläse donnert hinter uns dem Talboden entgegen, während wir mehr als glücklich sind, dieses Getöse heil überlebt zu haben. Mit weichen Knien setzen wir die Fahrt fort. Bis Brixen ist es nicht mehr weit.       

Der "Rosengarten" thront über Bozen

          Das gewundene Eisacktal geht vom Brenner hinunter bis nach Bozen. Schon seit Jahrhunderten ist es eine der wichtigsten Transversalen der Alpen. Der ruhige Radweg entlang des Ufers der Eisack ist nach dem gestrigen Erlebnis genau das richtige für uns. Kurz müssen wir zwar auf die Landstraße ausweichen, doch bis Bozen geht es stetig bergab. Die Sonne strahlt uns ins Gesicht. Ein schöner Tag nach einer zweiten Nacht mit viel Regen. Wir suchen in Bozen zuerst die lokale Geschäftsstelle von UPS. Das Gestänge für unser Zelt soll hier lagernd sein. Schnell finden wir die Lagerhalle und freuen uns über die problemlose Übergabe. Danke an Outdoor Partner und Cascade Designs für die rasche, unbürokratische Hilfe ! In Bozen ist unser Alpencross vor einem Jahr zu Ende gegangen. Wir spazieren durch die Altstadt und schwelgen in Erinnerungen. 

          Der Niederschlag der letzten Tage hat die umliegenden Gipfel bereits mit dem ersten Schnee bedeckt.

          Von nun an folgen wir der Etsch (ital. Adige). Das Etschtal ist breit. An den sonnigen Hängen reifen Weinreben. Am Talgrund säumen unzählige Äpfelbäume unseren Weg - hier befindet sich eines der größten Obstanbaugebiete Europas. 

Val d´ Adige

          Bei Salurn (ital. Salorno) passieren wir den südlichsten Punkt Südtirols. Genau hier liegt die Sprachgrenze und die zweisprachigen Ortsschilder enden abrupt. War im Norden noch Deutsch die "Muttersprache", so dominiert ab hier das Italienische. Auf der ebenen Strecke begegnen wir zig Rennradfahrern. Allein oder im Pulk schießen sie an uns vorbei. Vor Rovereto, nach über 90 km, sprechen wir einen Radsportler an und fragen ihn nach dem Weg ins Zentrum. Er überlegt kurz und meint dann, wir sollen ihm folgen. Ich bin als erstes etwas skeptisch ... aber über Umwege, um dem Abendverkehr auszuweichen führt er uns direkt ins "Centro storico", die Altstadt, und zwar unmittelbar vor die Jugendherberge. Wir bedanken uns und bleiben in Rovereto für die Nacht.

          Gut erholt starten wir zur finalen Etappe an den Gardasee. Wie gestern haben wir auf viel Sonne gehofft. Aber, nur kurz läßt sie sich blicken. Bei der Überquerung des Paso San Giovanni Richtung Lago di Garda beginnt es zu regnen. 

Der erste Blick auf den Gardasee ist trotzdem ein Erlebnis ...

... irgendwie ist wieder ein Zwischenziel erreicht. In Torbole essen wir eine Pizza. Wie bestellt, ist uns danach auch der Wettergott wieder hold. 

Die Sonne verscheucht die letzen Wolken.

Wir treffen am späten Nachmittag, nach einer entspannenden Fahrt entlang des Seeufers, in Malcesine ein. Der malerische Ort am Fuße des Monte Baldo, dem höchsten, der den See umrahmenden Berge, hat schon Johann Wolfgang von Goethe begeistert. Er ließ sich damals hier nieder um das Kastell abzumalen und  wurde als vermeintlicher österreichischer Spion verhaftet.

Der Campingplatz im Zentrum hat an diesem Morgen zugesperrt. Wir finden ein kleines Zimmer mit Küche und traumhaften Ausblick vom Balkon, direkt beim See. Alles wäre wunderbar, wenn nicht Nathalie, die schon den ganzen Tag über ein leichtes Unwohlsein geklagt hat, plötzlich starkes Fieber bekommen hätte. Innerhalb kürzester Zeit bietet sie alle Zeichen einer "ausgewachsenen" Lebensmittelvergiftung. Zum Glück ist schon am nächsten Tag eine deutliche Besserung zu sehen.           Heute widmen wir uns ganz und gar dem Nichtstun - und zwar ausgiebig. Ich lese in dem Buch "Im Bann des Giganten" von Joe Simpson. In dem Kapitel "Mehr als ein Traum" blättert er in einem Zitatenlexikon:

         "Die Jugend ist keine Lebenszeit ... sondern ein Geisteszustand. Jung zu sein hat nichts mit vollen Wangen, roten Lippen und elastischen Knien zu tun ... es ist eine Sache des Willens, der Phantasie, der Vitalität der Gefühle ... der Frische der tiefen Quellen des Lebens. - unbekannter Verfasser."

Kurz später folgt ein weiteres Zitat eines anderen unbekannten Verfassers:

          "Niemand altert, indem er eine Reihe von Jahren hinter sich bringt; man altert nur dadurch, daß man seine Ideale aufgibt. Die Jahre lassen die Haut verknittern, doch wenn man sich für nichts mehr begeistern kann, verkümmert die Seele. Sorgen, Zweifel, Mißtrauen, Angst und Verzweiflung ... das sind die langen, langen Jahre, die den Kopf beugen und den wachsenden Geist wieder zu Staub werden lassen. Ob siebzig oder siebzehn, im Herzen eines jeden Menschen wohnt der unerschöpfliche kindliche Appetit auf das Wunderbare und die Freude am Leben."

Oder anders ausgedrückt:

Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern, nur vertiefen.

 

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 Do. 19.Oktober 2006   Durch die Poebene, über den Apennin ... ans Mittelmeer 

Chiàvari, Riviera di Levante - Italien  

 

          Die Sonne gibt wirklich ihr Bestes ... all die Tage, die wir am Gardasee in Malcesine verbracht haben, ist sie uns wohlgesinnt gewesen. Wir freuen uns, daß sie auch am Tag der Abfahrt weiter Richtung Süden, dem Ostufer entlang, vom Himmel lacht. Wir haben uns gut erholt ... Vor der Tür ist ein Tischtennistisch gestanden. Aus unseren entspannenden "Ping Pong Spielchen" - wir können beide nicht wirklich tischtennisspielen - sind mit der Zeit "grandiose Ballwechsel" geworden. Sogar nachts haben wir, mit Stirnlampen "bewaffnet", dem Spiel gefrönt. 

Wie immer ... blauer Himmel über dem Kastell in Malcesine

          Die Räder laufen nach einer Generalinspektion weiterhin einwandfrei. Die Straße schlängelt sich zumeist hart am Ufer entlang. Die Steigungen halten sich sehr in Grenzen, was sich positiv auf unser Reisetempo auswirkt - flott geht es dahin. Es ist der 12. Oktober, unser Ziel für heute ist Sirmione, ein Ort am Südende des Sees. Da der "Stadtcampingplatz" wieder einmal geschlossen hat ... und "wild" campen im Ortsbereich nicht möglich ist, nehmen wir uns ein Zimmer. Auffällig hier ist wieder einmal, dass die Dame in der Information äußerst unfreundlich ist. Wer nicht von vorhinein ein teures Quartier nehmen will, wird anscheinend auch nur "billig" behandelt. Da hat wohl jemand den falschen Beruf gewählt...

Abendhimmel über Sirmione

Die Altstadt, das "centro storico" liegt am Ende einer weit in den See hineinragenden Landzunge. Wir fahren mit unseren Rädern dieses autofreie Städtchen ab. Es ist schon dunkel und wir haben heute noch kaum etwas gegessen. Eine Pizza ist da genau das richtige (wenn auch nicht unbedingt vom ernährungsmedizinischen Standpunkt ;-)

          Am Morgen nehmen wir Kurs auf die riesige Poebene. Durch Desenzano, die größte Stadt am Gardasee, navigieren wir uns gut durch. Die letzten Hügel, die Nachhut der Alpen, sind schnell überquert. Die Ebene des Po schließt an das südliche Voralpenland an und bringt das erste Mal so richtig Eintönigkeit in unseren Radleralltag. Zuerst fahren wir auf einer sehr stark befahrenen fast "autobahnartigen" Landstraße mit enormen LKW Verkehr. Die Straßen sind langgezogen und gerade, die ewig gleichen Baumalleen reichen bis zum Horizont. Wir weichen auf eine Nebenstraße aus, der Verkehr wird merklich weniger. Das fruchtbare Land ist bis in den letzten Winkel erschlossen. Landwirtschaft und Industrie spielen die Hauptrolle. Feld reiht sich an Feld, reiht sich an Feld... der Duft von "Kuhdünger" liegt in der Luft. Dann dringt beißender Schwefelgestank in unsere Nasen.  Abgewechselt wird dieser von einer Wolke von Industrieabgasen, die sich über die Landschaft legt. Zu diesen olfaktorischen Genüssen, gesellt sich eine an Ödheit nicht zu überbietende Monotonie der Gegend. Wir sind trotzdem zumeist guter Stimmung, denn gerade hier winken uns viele Autofahrer spontan zu, LKW Fahrer zeigen uns den erhobenen Daumen ... viele nette Menschen begegnen uns am Weg. "Quanti kilometri avete fatto ?" (Wieviele Kilometer ... ?) fragt ein alter Mann von seinem klapprigen Rad als wir an ihm vorbeikommen. "Novecento.", antwortet Nathalie und lächelt ihm zu. Er winkt. Und da taucht plötzlich ein Cafe mitten im Nirgendwo am Wegesrand auf. Wir kehren ein und gönnen uns ein kurze Pause. 

          Der Ort Seniga bekommt für uns ein ganz besondere Bedeutung... hier zeigt der Tachometer den ersten 1000er an. 

Die ersten 1000 Kilometer !

Darauf stoßen wir mit 2 Dosen Cola an. Coffein und Zucker geben uns die Energie für die letzen Kilometer. Wir treffen in Cremona am späten Nachmittag ein. Der Campingplatz liegt ziemlich nah beim Ufer des Po, nur ca. 2 km außerhalb vom Stadtzentrum. Der Platz wirkt sehr heruntergekommen. Während wir das Zelt aufbauen, stürzen sich Hunderte, nach Blut dürstender Gelsen auf uns. Durch das Gewand finden die Blutsauger ihren Weg. Zahllose Stiche, vor allem am Gesäß, zeugen von der Odysee. 

Ein toter Seitenarm des Po im Morgennebel

          Am Morgen liegt dichter Nebel über dem Land. Eine nahezu mystische Stimmung begleitet unseren Aufbruch dem Verlauf des Po entlang nach Westen. Wir nehmen, um schneller voran zu kommen, eine größere Landstraße. Der Preis für die flotte Fahrt ist reger Vormittagsverkehr. Der Fahrstil der Italiener ist, vor allem aus der Sicht eines Radfahrers, ziemlich rücksichtslos. Knappes Auffahren, Überholen in unübersichtlichsten Kurven, das Überholen von uns überholenden Fahrzeugen bei Gegenverkehr ... you name it ! Kollektive Rücksichtslosigkeit in Reinform ... eigentlich ein Wahnsinn, aber da sie von praktisch Jedermann und -frau praktiziert wird scheint es nur uns zu stören. Ein "pannenstreifenartiger" Randbereich ist uns heute ein willkommener Sicherheitspolster am Weg nach Piacenza. Eigentlich wollen wir nur eine Kleinigkeit zu Mittag essen. Doch finden wir erst nach langem Suchen ein Restaurant, das auch offen hat. Meine Stimmung ist schon den ganzen Tag über nicht sehr gut. Die heute noch ödere Strecke als gestern, der viele Verkehr, der knurrende Magen,... lustlos und "schlecht drauf" hat Nathalie heute wohl keine Freude mit mir. Als wir dann beschließen in Piacenza zu übernachten, gestaltet sich die Quartiersuche zu einem weiteren Spießrutenlauf.  Auch ein schlechter Tag geht einmal vorüber. Doch meine Stimmung ist am nächsten Morgen nicht wirklich besser. 

Piacenza bei Nacht

          Auf die Fahrt in den Apennin habe ich mich eigentlich gefreut, doch irgendwie geht mir dieser Verkehr hier einfach unheimlich auf die Nerven. Es ist Sonntag. Viele Rennradfahrer sind unterwegs. Vor allem im Pulk grüßen sie uns lautstark und überschwänglich. Je näher wir den Bergen kommen, desto besser geht es dann meinem Gemüt. Nathalie hat auch schon gemeint, daß ich vor allem in der Nähe von Großstädten etwas "unrund" werde. Hmmm, ... scheint was wahres dran zu sein ;-)

 Fortsetzung folgt ... 

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 Fr. 20.Oktober 2006   Hotel Savoia Majestic, Genua

          Jetzt mache ich einen kurzen Zeitsprung und bleibe den weiteren Verlauf der Reise durch den Apennin ans Meer vorläufig schuldig. 

          Wir sitzen im 4-Sterne Hotel  Savoia Majestic an der Piazza Acquaverde mit Blick auf das Kolumbusdenkmal. Morgen geht unsere Fähre nach Tanger in Marokko. Wie es dazu gekommen ist, berichte ich das nächste Mal. Wir melden uns wieder aus Nordafrika. 

Arrividerci Italia - Ssalamu´lekum Marokko !!!

 

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 Di. 24.Oktober 2006   Die letzten Tage in Europa ... 

Fährschiff "Ouzoud", Oberdeck - Knapp nördlich der Balearen  

 

Nachtrag: Fortsetzung der Fahrt durch den Apennin ... 

 

"Die Welt ist ein Buch, wer nicht reist, hat nur eine Seite davon gelesen."

 

          Am Horizont tauchen die ersten Hügel auf. Seitdem wir uns vom Gardasee entfernt haben, ist das Land komplett flach gewesen. Auch was die Vegetation anbelangt, wird man in der zumeist als Agrargebiet genutzten Poebene, nicht gerade verwöhnt. Ganz anders die dichten grünen Wälder des Apennin. Langsam, aber stetig, schlängeln wir uns höher und höher. Nach einem Capuccino in Travo müssen wir im weiteren Verlauf auch einige Tunnels durchqueren. Einmal, Nathalie fährt gerade hinter mir, werden wir beinahe von einem Autofahrer übersehen. Im letzten Moment schert er aus und verfehlt uns nur äußerst knapp. Zusätzlich zu den Reflektoren an den Packtaschen und dem Rücklicht am Gepäckträger montiere ich noch eine Stirnlampe - das blinkende Licht soll ab sofort ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor sein.

Am Straßenrand in Stein gemeißelt:

"Dio ci protegga dai pericoli della strada"

Gott soll dich vor der Gefährlichkeit vor der Straße beschützen

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          In Bobbio machen wir kurz Halt. Während wir einen Espresso Macchiato trinken, kommt ein etwas älterer Italiener an unseren geparkten Rädern vorbei und beginnt diese zu mustern. Interessiert begutachtet er jedes Detail. Wirft kurz einen Blick auf uns und frönt gleich darauf wieder dem Studium unserer Räder. Ich beobachte sein neugieriges Verhalten und Grüße ihn kopfnickend. Gerade auf diese Zuwendung von unserer Seite hat er förmlich gewartet. Auf italienisch spricht er uns an. "Woher ?", "Wohin ?", "Seit wann ?", "Wie lange insgesamt ?" .... "Alles mit dem Rad ... ?!? Nathalie gibt ihr bestes, um all die Fragen zu beantworten. Zwar hat sie Italienisch gelernt, doch schon lange nicht mehr gesprochen. Sein Interesse ist nicht bloß leeres Gerede. Gespannt lauscht er Nathalies Worten - und hilft ihr, falls sie einmal nicht die richtigen findet. Ich kann ihn zwar ganz gut verstehen, aber mir wäre es unmöglich, auch nur irgendeine Antwort zu geben. "Faszinierend !", auch von ihm sei so eine Reise immer ein Traum gewesen ... doch nur im "Delirium". Er spricht von Hingabe und Leidenschaft ... "So eine Reise lehrt einen auch einiges fürs Leben. Man lernt durch die Dinge, die vielleicht nicht gleich so laufen, wie man gerne hätte, eine gewisse Gelassenheit." Ich sitze gespannt daneben und denke nur "... wahre Worte !" Als wir weiter fahren, fühle ich mich gleich ruhiger... hat mich dieser Mann etwa gestern und heute morgen beobachtet ??? Da ist es ja nicht weit her gewesen mit meiner Gelassenheit ;-) 

          Sind wir bis jetzt dem Flußlauf der Trébbia gefolgt, so radeln wir ab Corte Brugnatella entlang des Aveto. Tief ist die Schneise, die der Wasserlauf in das Tal schneidet. Die Straße windet sich in rhythmischen Serpentinen immer weiter in das Herz des Apennin. Wir passieren immer wieder Dörfer, die sich um malerische Kirchen platzieren. Gegen Abend finden wir einen Abzweig von der Straße, der uns direkt zum Fluß bringt. Hier wollen wir die heutige Nacht verbringen. 

"Tanz mit dem Feuer"

          Wir waschen uns im eiskalten Wasser und machen uns dann einmal etwas zu essen. Erst mit Einbruch der Dunkelheit stellen wir das Zelt auf. Die Nacht wird ruhig. Der Himmel ist sternenklar, als wir uns ins Zelt zurückziehen. Am Morgen hängt Nebel über dem Tal. Ich mache ein Lagerfeuer und wärme Wasser für den Kaffee. 

Ohne Morgenkaffe geht gar nichts

          Gut gestärkt besteigen wir bei frischen 6 °C am frühen Vormittag die Räder. Bis auf fast 900 Hm schrauben wir uns kontinuierlich hinauf. Das angenehme am Fahren im Apennin ist, das es zwischendurch immer ein paar kleinere Abfahrten gibt. Nach der letzten Paßhöhe jedoch, geht es dann endgültig nur mehr bergab. Diese Abfahrt hinunter bis zum Meer, mit weit über 20 km zählt zu den besten der gesamten bisherigen Tour. Schließlich landen wir in Chiavari an der Ligurischen See. Wir sind am Meer. 

Der Strand von Chiavari

Auf Sand schieben wir unsere Gefährte bis fast ans Wasser ... am 16.Oktober erreichen wir nach 30 Tagen das Mittelmeer. Daraufhin gehen wir sofort ins Wasser. Wieder ist ein Zwischenziel erreicht.

          Wie ich ja schon verraten habe, haben wir uns hier entschlossen, nicht mehr bis nach Südfrankreich zu fahren, sondern schon die Fähre in Genua zu nehmen. Mehrere Gründe haben uns dazu bewogen. Zum einen ist uns das eventuelle Problem des (nicht so unwahrscheinlichen) Schneefalls im Hohen Atlas bei der Ausarbeitung der möglichen Routen wieder bewußt geworden. Eine Weiterreise nach Marseille würde einen um mindestens 2 Wochen späteren Start in Marokko bedeuten. 2 Wochen können im Hochgebirge, und das ist der Atlas mit Bergen über 4000 m zweifelsohne, einen bedeutenden Unterschied machen. Was die Entscheidung auch noch um einiges erleichtert hat, ist der Faktor Verkehr. Auf der folgenden, letzten Etappe nach Genua, ist die Richtigkeit unserer Entscheidung dahingehend noch einmal kräftig bestätigt worden. Es kann in Marokko kaum gefährlicher werden ;-) Außerdem freuen wir uns schon sehr auf Marokko, und mit dem Erreichen des Meeres ergibt sich mit einer (dadurch auch längeren) Fährfahrt die Gelegenheit, das Leben an Bord mehr auszukosten.

 

 

          Wir zeltenn in Chiavari auf einem Campingplatz direkt beim Meer. Der Nobelort Portofino ist nur gut 20 km entfernt. Hier ist alles nicht so touristisch, es ist eher "normaler italienischer Alltag". Wir erholen uns: Frühstück an der Hafenpromenade, mittags werfen wir unseren Kocher an und bereiten ein leckeres Essen an der Küste mit Blick auf die Halbinsel von Portofino. Wir entdecken bei einer Fahrt durch die Stadt (natürlich mit unseren Rädern ;-) in einem Reisebüro einen Hinweis auf eine Fähre nach Tanger. Die "Ouzoud" der Fährgesellschaft Comanav läuft am 21.Oktober in Genua aus. Wir hätten somit noch 2 Tage Zeit. Die nächste würde erst 1 Woche später ablegen. Eigentlich kann sich das alles ganz gut ausgehen... so beschließen wir, nach kurzem Hin und Her, uns ein Quartier in Genua zu suchen - per Internet. Für die letzte Nacht in Europa, wollen wir uns "etwas Luxus" gönnen. So wählen wir das 4-Sterne Hotel Savoia Majestic in der Nähe des Fährhafens aus. Man gönnt sich ja sonst nichts ... ;-) 

          Am letzen Tag in Chiavari schlägt das Wetter um, unser Zelt geht am Campingplatz fast unter, als der Himmel seine Pforten öffnet, und stärkste Regengüsse alles unter Wasser stellen. Lange versuchen wir durch das Graben von Wassergräben und Tricks mit dem Tarp (Plane), die "Fluten" von uns fern zu halten. Im Prinzip könnten wir es aussitzen, da wir aber morgen nach Genua radeln und dann in die Fähre steigen, wollen wir nicht alles komplett naß einpacken, es wäre keine Zeit mehr zum Trocknen. So übersiedeln wir für diese eine Nacht in ein sehr, sehr schäbiges winziges Bungalow. Über die Nacht wird alles Trocken. 

Das schlechte Wetter hält aber weiter an - Himmel über Chiavari

          Die Fahrt nach Genua hat es in sich. Die Küstenstraße windet sich auf den fast 50 km unermüdlich auf und ab. So werden es fast 800 Hm, die unser Höhenmesser am Ende des Tages anzeigen wird. Wieder regnet es teilweise kräftig. Die Vororte Genuas sind noch weit vom Zentrum entfernt. Der Verkehr wird dichter. Die Straßen mehrspurig. Manchmal können wir auf eine Busspur ausweichen, dann müssen wir wieder tief in das Verkehrsgewirr eintauchen. Die Stadt ist auf den ersten Blick häßlich ... gerade die Außenbezirke sind im Stil von Barackenbauten errichtet. Plattenbauweise in Reinkultur. Irgendwann ist unser Hotel dann ausgeschildert. Wir biegen von der Straße am Hafen rechts Richtung Bahnhof ab und kurz darauf erreichen wir unsere Bleibe. Den ganzen Tag haben wir kaum etwas gegessen. Der Hunger treibt uns nach der Dusche ins Zentrum. Durch die engen, verwinkelten Gassen parallel zum Hafen schlängeln wir uns durch Genua bei Nacht. Hier zeigt die Stadt ihr anderes Gesicht. Kleine Lokale, hell erleuchtet und finstere Ecken, durch die man alleine nicht unbedingt gehen mag, wechseln sich ab. Das Hafenviertel ist wohl der verruchteste Teil der Stadt. Hier fühlt man sich teilweise in frühere Zeiten zurückversetzt. Auch die andere Seite, die vielen Palazzos, fasziniert. Die Stadt Christoph Kolumbus' zeigt ihr reizvollstes Gesicht.

          Am nächsten Morgen sind wir bereit für die Abfahrt. Wir rollen in prächtigstem Regenwetter Richtung Hafen. Die Zufahrt zum Fährbereich ist verwirrend beschriftet, wir fahren im Kreis.

Fährterminal

Schließlich finden wir den Weg. Bei der Ticketkontrolle hat sich eine kurze Autoschlange gebildet. Wir schlängeln uns vorbei und werden von den zwei Kontrolleuren angesprochen, ob wir Mediziner seien. Wir sind verwundert, haben aber unser Schild an der Fronttasche, welches auf "Medecines sans frontieres - Ärzte ohne Grenzen" hinweist ganz vergessen. Nach ein paar Scherzen über die Rückenschmerzen des einen "Beamten" verabschieden wir uns und fahren in noch stärkerem Regen zur Fähre. 

Dort werden wir an der Autoschlange auf ein Gebäude verwiesen. Eine recht beachtliche Menschentraube hat sich gebildet. Zuerst wissen wir nicht worum es da geht. Ein Mann meint, hier sei die Paßkontrolle. Nun gut. Nathalie bleibt bei den Rädern ... im Regen, nur geschützt durch ein kleines Vordach. Ich schnappe mir die Pässe und stelle mich zu der Menge. Es gibt kein ersichtliches System. Alles steht vor einer Tür. Ich bin der einzige Nicht-Marokkaner im Gewühl. Da bemerke ich, daß alle um mich kleine Zettel ausfüllen.... "Moment, brauche ich den auch ..?!?", denke ich. Ich gebe meinen Platz auf und eile zu Nathalie. Und wirklich, die Beamten am Eingang haben mir vorhin zwei Zettel in die Hand gedrückt, denen ich keine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Ich stehe diesmal noch weiter hinten und fülle die Kärtchen aus, fälsche kurzerhand Nathalies Unterschrift um nicht noch einmal Zeit zu verlieren. Dann heißt es warten. Um mich arabische Konversation, selten etwa Französisch. Körper an Körper wird geschoben, nachgerückt, Lücken aufgefüllt. Ich denke an meine Worte "an der Grenze zu Italien war der Übertritt bemerkenswert unspektakulär" - das hier ist ein ziemliches Kontrastprogramm. Ich finde gefallen an der Prozedur. Es braucht halt seine Zeit. Als ich endlich zu den italienischen Grenzbeamten in ein 3x3 m großes, weißes kahles Zimmer mit nur einem Tisch und 2 Sesseln hinein kann, geht dann alles ganz schnell. Nett werden beide Pässe kontrolliert. Ich frage, ob es notwendig ist, daß Nathalie auch kommt... zum Glück nicht. 

Nathalie winkt Genua zum Abschied zu

          Wir verstauen die Pässe wieder und fahren zur Fähre. Vorbei an all den wartenden Autos schieben wir unsere Räder in den Bauch des Schiffs. Gleich werden wir von allen gemustert. Wir haben die einzigen muskelbetriebenen Gefährte. An den Rand sollen wir sie stellen. Wir finden nur Rohre vor, an denen ich die zuvor vom Gepäck befreiten Räder zu befestigen beginne. Ein Arbeiter kommt mir zu Hilfe. Gerade bei Turbulenzen am Meer wäre es nicht gut, wenn ein locker verschnürtes Fahrrad, oder einer der Anhänger, ein Eigenleben entwickeln würde. Wir binden, wickeln, verschnüren ... alles scheint gut fixiert zu sein. Da kommt ein großgewachsener Mann auf uns zu. Er trägt eine Uniform und gibt sich als Schiffsarzt zu erkennen. Er habe gehört, wir seien auch Ärzte, und stellt sofort 2 Mann vom Personal ab, um uns beim Gepäcktragen zu helfen. Wir staunen. Außerdem, würde er sich gerne mit uns unterhalten. Wir verabreden uns für später, nach der Abfahrt. Woher hat er wieder gewußt, daß wir Ärzte sind ?? Vielleicht die Ticketkontrolleure vom Eingang ?! Egal. Wir freuen uns über den herzlichen Empfang und werden in die Kabine eskortiert. "Klein ... und nicht gerade sehr fein" umschreibt es vielleicht am besten. Aber immerhin hat unsere Kajüte ein Fenster. Wir sehen backbord beim Schiff hinaus. Mit einiger Verspätung laufen wir um ca. 15 Uhr aus dem Hafen von Genua aus. Mit dem Ablegen wird das Wetter plötzlich besser. Der Himmel beginnt seine Pforten endlich zu schließen. Blaue Flecken werden zwischen den Wolken sichtbar. 

Blick Richtung Afrika

          Wir stehen an Deck und sehen zu, wie wir uns langsam vom Festland entfernen. Wir haben beide das Gefühl, daß, unsere Entscheidung jetzt schon Europa zu verlassen, die richtige ist. Es ist Zeit einen neuen Kontinent zu entdecken.

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