"Was
du für den Gipfel hältst, ist nur eine Stufe."
Seneca
Die unendlich scheinenden Weiten der "Salinas Grandes"
Nathalie
bei der Befahrung eines Salzsees in der Puna Jujuys
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Corredor Bioceánico "Paso de Jama"
2005 ist die nunmehr komplett asphaltierte Verkehrsverbindung
zwischen der Provinz Jujuy im Norden Argentiniens und Chile von
den damaligen Präsidenten Kirchner (Arg.) und Lagos (Chile)
offiziell eröffnet worden. Diese Passüberquerung stellt das
Verbindungsglied einer für den Warentransport so wichtigen, gut
befahrbaren Verbindung von Brasilien am Atlantik mit Chile am
pazifischen Ozean dar. Trotzdem gerade LKWs von der Strecke
profitieren, ist die Verkehrsdichte gering (!).
Die Anden - Berggipfel im
Wolkenmeer
Die Überquerung der längsten Gebirgskette der Erde auf diesem
Weg stellt trotz des verbesserten Straßenbelags noch immer hohe
Anforderungen an diejenigen, die sich auf dieses Abenteuer mit dem
Fahrrad einlassen. Ein Problem ist die Schwierigkeit
Radler-relevante Informationen über das Gebiet zu bekommen.
"Wo gibt es Wasser ?", ist sicher die wichtigste Frage,
die wir uns zu stellen haben. Leider kann kaum jemand eine
befriedigende Antwort darauf geben. "Gibt es bewohnte Häuser
oder Dörfer am Weg ?" Auch hierauf bekommt man die
unterschiedlichsten Antworten. Und selbst Kilometerangaben
schwanken um Riesenbeträge. Auch Straßenschilder sind sich darin
nicht einig. Von Höhenmeterbeträgen mal ganz abgesehen.
Blick aus dem
Fenster beim Flug nach Südamerika
Schon aus dem Flugzeug
haben die Dimensionen fast unüberwindbar gewirkt
Die Distanzen sind riesig, die zu überwindenden
Höhenunterschiede beträchtlich. Das Land staubtrocken. Schutzlos
ist man orkanartigen Böen ausgeliefert, die über die
Hochflächen blasen. Die UV-Strahlung ist extrem. Scheint ein
perfekter Platz zum Radfahren zu sein, oder ?! ;-) Scherz
beiseite ! Gerade wegen dieser einfach nicht zu unterschätzenden
Tatsachen einer solchen Unternehmung, müssen wir, als langsam
reisende, die sich viel länger den verschiedenen
Umweltbedingungen aussetzen, sehr umsichtig an die Sache
herangehen. Gibt es unterschiedliche Infos zu Wasserstellen oder
Kilometerangaben, gehen wir immer vom schlechtesten Fall aus.
Sollte es besser kommen, als gedacht ... toll, das freut uns.
Tritt aber die "schlimmere" Variante ein, so bringt uns
die vorsichtigere Kalkulation nicht in eine vielleicht
gefährliche Situation.
Als ein Beispiel möchte ich den Hinweis
des Radlers nennen, der von 2 Wasserquellen gesprochen hat, die am
Ende der 2000 m Steigung des ersten Tages plätschern sollen:
Keiner konnte uns das sonst noch bestätigen. Also haben wir so
gehandelt, als gäbe es sie nicht. Wasser, als Quelle des Lebens,
ist zu kostbar, um leichtsinnig damit zu spekulieren. Ist diese
Quelle nun wirklich da oder nicht ?! Davon später mehr.
Noch ein paar "Fakten"
Unser Wissensstand vor der Tour: Die "Cuesta
de Lipan" (Steigung) bringt einen Höhenunterschied von 2000
m mit sich und uns über einen Pass mit 4167 m. Das erste Dorf,
Susques, liegt in ca. 130-140 km Entfernung. Davor gibt es
(eventuell) einzelne, bewohnte Häuser. Dann sind es noch einmal
125-155 Kilometer bis zum argentinischen Grenzposten beim Paso de
Jama auf ca. 4200 m Seehöhe. Bis San Pedro de Atacama in Chile
geht es anschließend auf weiteren 160 km durch unbewohntes Gebiet
und zweimal auf Höhen von (anscheinend) über 4700 m Meereshöhe.
Macht insgesamt von Purmamarca eine Distanz von 415 - 455 km und
viele zu strampelnde Meter nach oben. Die vorherrschende
Windrichtung ist NW, das heißt, wenn Wind, dann Gegenwind. Nun
gut, genug der Spekulationen, machen wir uns auf den Weg.
Let´s go
Es ist 7 Uhr morgens, am 21.April 2007, und noch stockdunkel
draußen. Wir haben gerade die Anhänger an die Räder montiert
und rollen im Schein der Straßenlaternen Purmamarcas Richtung
Hauptstrasse. Die ersten Hähne krähen. Wir sind um kurz vor 6
Uhr aufgestanden. Das Gepäck haben wir schon am Vortag gepackt.
Auf meinem Hänger befindet sich noch ein 10 Liter Wassersack oben
drauf. Insgesamt haben wir 15 Liter Wasser dabei. Wenn wir kein
Wasser finden sollten, könnten wir so (wenn auch knapp
kalkuliert, bei der Anstrengung und der Hitze) 2 Tage durchfahren,
und am dritten (durstig !) in Susques ankommen.
Cuesta de Lipan
Wir wollten so früh wie möglich starten, um die viel kühleren
Morgenstunden auszunützen. Von Beginn an geht es mit einer
leichten Steigung bergan. Die Strasse windet sich parallel zum
Flussbett Richtung Westen talaufwärts. Wir sind so gut wie
allein. Und kommen recht gut voran. Nach 14 Kilometern haben wir
die ersten 600 Höhenmeter hinter uns gebracht. Hier, auf ca. 2900
Hm, beginnen die ersten Serpentinen der Cuesta de Lipan. (Purmamarca
liegt laut unserer Messung auf etwa 2300 Hm) Ein paar Häuser und
eine kleine Kapelle liegen auf der anderen Flußseite. Wir füllen
hier noch eine Flasche Wasser aus einem Rinnsaal am Straßenrand
auf. Dann nehmen wir die Cuesta in Angriff.
Noch 20 km bis zum Pass
Laut einem Buch, in
dem wir in Purmamarca gelesen haben, sollte die Steigung nie mehr
als 7 % betragen. Wenn wir da an bis zu 19 % auf Schotter auf der
Carretera Austral denken, sind wir recht positiv gestimmt. Aber
die Höhe fordert dem Körper natürlich zusätzlich einiges ab.
Und 35 Kilometer nur bergauf sind halt nicht ohne. Bei den kurzen
Pausen merken wir bald auch die Höhe. Wir atmen viel tiefer als
sonst, schnaufen beim Anfahren dann umso mehr, bis wir wieder in
einen gleichmäßigen Rhythmus kommen. Nathalie hat mit der langen
Dauer des Anstiegs zu kämpfen. Ich fühle mich bis 3500 m
ausgezeichnet.
Die Serpentinen der Cuesta
de Lipan im unteren Bereich
Dann allerdings wendet sich das Blatt. Ich bekomme
einen dumpfen Kopfschmerz und mir wird übel. Obwohl ich mich
ausgetrocknet fühle, kann ich kaum einen Schluck trinken. Diese
Verschlechterung meines Zustandes von "ausgezeichnet" zu
"hundeelend" ist extrem rasch gekommen. Nathalie hat
zwar auch leichte Kopfschmerzen, doch sie steckt diesen Teil der
Strecke viel besser weg als ich. Eine Akklimatisation auf 2300 m
bringt halt auf fast 4000 m nichts mehr. Ich werde immer langsamer
am Rad, konzentriere mich darauf ruhig zu atmen,... aber diese
verdammte Übelkeit, die bleibt. Die beste Lösung wäre
abzusteigen (in dem Fall abzufahren), bis zu einer Höhe, in der man symptomfrei gewesen
ist. Aber ich will die geradelten Höhenmeter nicht opfern. Was
würden wir dann tun ? Dort schlafen ?! Morgen alles wieder
hinaufmüssen ! Nein. Falls es nur irgendwie geht, werde ich
versuchen, mich über den Pass zu quälen. Dann sollte es auch
bergab gehen. Ich probier´s noch ein Stück. Umdrehen und
runterrollen können wir ja immer noch.
Cuesta de Lipan
8 Kurven (Bildmitte), dann
eine längere Gerade, gefolgt von den finalen 5 im 100° Winkel
(Blick von der letzen
Serpentine - ca. 3900 Hm)
Dann kommen wir zur
letzten Serpentine der Cuesta ... und wirklich kurz danach
entdecken wir die 2 Wasserquellen. Der Radler hatte recht ! Wir
füllen eine Flasche auf und kühlen den Kopf. Dann setzen wir den
Weg fort. Nur noch knapp 200 Höhenmeter. Durchhalten ! Die
Steigung und das Gewicht des Gepäcks sind gar nicht mein Problem.
Körperlich kann ich die Lasten problemlos bewegen, aber dieser
Höhenunterschied in dieser kurzen Zeit, der hat es (für mich
mehr als für Nathalie, was mich sehr freut !) in sich. Die
finalen Kurven ziehen sich ewig dahin.
4170 m - die Passhöhe
ist erreicht
Dann sind wir endlich oben
! Auf 4170 m (Abra de Potrerillos). Es ist 16 Uhr 15. Mir ist zum Spei... ! Insgesamt
ist es "nur" ein Höhenunterschied von 1747 m auf 35 km
gewesen. Wir bleiben kurz. Es folgt das obligatorische
"Gipfel - Ziel -Foto". Dann geht es bergab. Und es ist
kaum zu glauben. Mit jedem Meter Abfahrt geht es mir besser. Ich
möchte sagen, ich blühe förmlich auf ;-) 15 Kilometer
herrlichster Straßendownhill.
Endlich bergab !
Dann erreichen wir Saladillos. Ein
verlassenes Adobehaus steht unweit der Straße. Dahinter ein paar
bewohnte Hütten. Wir fragen, ob wir die Nacht im alleinstehenden
Haus verbringen dürfen. "Kein Problem !" Dann kaufen
wir dem netten Burschen noch 4 Birnen ab. Übrigens, Wasser
hätten wir auch hier problemlos bekommen können !! Wir bauen das
Innenzelt geschützt in einem Zimmer ohne Tür auf und genießen
die letzen Sonnenstrahlen diesen langen Tages. Wir befinden uns
auf 3640 m Seehöhe. Etwas tiefer können wir schon die weiß
schimmernden Weiten der Salinas Grandes , eines riesigen, zur Zeit
trockenen Salzsees erkennen. Der Mond steht bereits am Himmel. Wir
fühlen uns gut. Fast wollte ich schon umdrehen. Das
"Durchbeißen" hat sich ausgezahlt. Wir schlafen bald
ein.
Saladillos - 3640 m
Ein Meer aus Salz - die Salinas Grandes
Nur leichte Kopfschmerzen haben wir am Morgen. Ansonsten sind wir
guter Dinge. Bis auf ca. 3440 m geht die Strecke noch in die
Hochebene der Puna hinunter. Ein Vicuna (ein wilder Verwandter der
Llamas) steht am Straßenrand und beäugt uns neugierig. Wir
werden mit tollen Ausblicken auf die strahlend weiße Weite der
Salinas Grandes verwöhnt. Wir passieren die Ruta 40. Erinnerungen
werden wach. Vor gar nicht so langer Zeit sind wir auf dieser an
die 5000 km langen Straße, die Argentinien in Nord-Süd-Richtung
wie ein Rückrat durchzieht, die letzten 2 Etappen unserer
Patagonientour gefahren.
Dann werden die salzigen Flecken im gelb-grünlich leuchtenden
Steppengras der Puna immer größer. Und schließlich erreichen
wir den Rand des Salars (Salzsees). Um diese Zeit ist er
ausgetrocknet ... und für uns befahrbar. Die auskristallisierten
Salze bilden vorwiegend hexagonale Formen. Ein beeindruckender
Anblick. Bis zu den Bergen am Horizont sowohl im Norden, als auch
im Süden, scheint sich die Fläche auszubreiten. Wir fahren von
der Straße ab und rollen hinab auf die glitzernde Oberfläche.
Fast unwirklich ist das Gefühl auf diesem Meer aus Salz
dahinzugleiten.
Eine Welt aus Salz
Wir fahren Richtung Westen. Bald treffen wir auf gleichmäßig
aufgeschüttete Salzhaufen, braune und weiße. Dazwischen befinden
sich rechteckige Wasserbecken. Hier wird mit einer Hacke die
salzige Oberfläche durchstoßen und die groben Kristalle
zerkleinert. An der Luft trocknet die Substanz dann von braun
(feucht) zu weiß (trocken). Die Arbeit ist mühsam. Die Arbeiter
sind vermummt. Die Sonneneinstrahlung wird durch die Reflexion
noch um ein Vielfaches verstärkt. Die UV-Belastung ist
enorm.
Als wir später zur Straße zurückkehren, werfen wir noch einen
Blick auf ein derzeit nicht in Betrieb befindliches Restaurant aus
Salzblöcken. Auch hierzu haben wir unterschiedliche Informationen
erhalten. Hier hat sich unser Radlerkollege zum Beispiel geirrt.
Zum Glück sind wir davon nicht abhängig.
Hier findet der Salzabbau
statt
Wir blicken noch einmal auf den Salar zurück und kämpfen uns
nunmehr gegen immer stärker werdenden Gegenwind Richtung Westen
vor. Vorbei an Llamaherden, Vicunas, Eseln und doch immer wieder
auch bewohnten Adobehäusern. Schließlich bäumt sich die Strecke
wieder auf. Wir haben gewußt, daß es wieder in höhere Gefilde
gehen wird, doch wie weit wir in diesem Abschnitt hinaufmüssen,
davon haben wir keine Ahnung. Wir werden des Tretens müde. Der
Straßenverlauf schlängelt sich allmählich durch enge
Schluchten, die Steigungen fordern uns wieder einiges ab. Wir
entdecken zu unserer Linken ein trockenes Flußbett, das sich
canyonartig nach oben fortsetzt. Hier könnten wir, ab von der
Straße die Nacht verbringen. Ein Fluß in der Nähe führt hier
sogar Wasser !!! Perfekt. Sollen wir schon jetzt - es ist 15 Uhr
30 - Schluß machen für heute ?!?
Ein Stück fahren wir noch
weiter. Es geht steil dahin. Eine bessere Nische finden wir nicht.
Also drehen wir um. Wieder sind wir auf ca. 3640 m Seehöhe... wie
gestern. Relativ geschützt von den Böen verbringen wir eine
ruhige Nacht. Was die Kopfschmerzen anbelangt, sind wir den ganzen
Tag relativ verschont geblieben. Nur in der Nacht machen sie mir
kurz das Leben schwer. Am Morgen sind wir beschwerdefrei. Jetzt
ist es nicht mehr weit bis Susques.
Susques, das letzte Dorf auf der Strecke
Die Kirche von Susques
Die letzten Kilometer können wir richtig genießen. Schon recht
gut akklimatisiert legen wir auf dem höchsten Punkt (ca. 3860 m)
eine Pause ein und lassen den Blick über die sich vor uns
ausbreitende Andenhochfläche schweifen ... im Nordwesten liegt
Bolivien, im Westen Chile. Dann geht es bergab und leider auch
wieder bergauf dahin bis wir vor den Toren Susques stehen.
Ungefähr 140 km von Purmamarca entfernt, liegt dieses Dorf auf
ca. 3640 m über dem Meeresspiegel (wieder einmal, die schon
bekannte Höhe ;-). Für den LKW Verkehr findet hier die
Zollabfertigung statt, es gibt ein paar Hospedajes, ein paar
kleine Läden, die das nötigste an Lebensmitteln parat haben.
Busse halten hier auf der Durchfahrt nach San Pedro de Atacama.
Sogar ein kleines Spital wird gerade errichtet. Der Ort ist
trotzdem sehr klein und nicht sehr spannend. Nur die alte Kirche
aus den frühesten Zeiten der Kolonisation ist ein Blickfang. Wir
fahren ein Stück weiter und werden die nächsten 2 Tage zur
besseren Akklimatisation in einer Hosteria unweit des Dorfes
verbringen. Bis San Pedro de Atacama liegen noch 300 km und noch
viel größere Höhenflüge vor uns.
Wir haben den Sauerstoff
in der Hosteria nicht gebraucht
Die 2 Tage Erholung haben uns sehr gut getan. Mit wieder voll
aufgefüllten Wasservorräten brechen wir am 26.4. kurz vor
9 Uhr auf. Und es ist eiskalt ! Der Temperatursturz kommt
unerwartet. -4°C und dazu gleich bergauf. Völlig außer
Atem pausieren wir schon nach kurzer Berganfahrt und ... frieren.
Bis zum Paso de Jama rechnen wir mit 2, im schlechtesten Fall 3
Tagen, Fahrt. Zum Glück ist auf die Sonne Verlass - es wird
wärmer.
Llamas haben Vorrang
Auf gut 18 km geht es kontinuierlich bergauf. Die
Bergrücken der Cordon de Taire sind zu überwinden. Als wir am
höchsten Punkt, ca. 4113 m, ankommen und uns auf die
bevorstehende Abfahrt Richtung Salar de Olaroz freuen weht uns ein
kalter Wind entgegen. Schon in den letzten Tagen sind meist ab 14
Uhr heulende Böen über das Land gefegt. "Wie sollen wir
dagegen anfahren ?!", haben wir uns gefragt. Jetzt dürfen
wir genau das ausprobieren. Meistens müssen wir bergab treten. So
ist uns keine Erholung gegönnt. Der Salzsee taucht auf. Die
Straße führt in diesem Fall nicht direkt über den Salar,
sondern macht eine weite Schleife Richtung Süden. Der Wind trifft
uns zu Beginn von der Seite. Als der Straßenverlauf aber nach
Westen abbiegt, bekommen wir die ganze Wucht frontal ab. Auf 7-8
km/h bremst uns die Naturgewalt herunter. Die Böen sind so stark,
dass sie einem förmlich den Atem rauben. So halten wir nach einer
geschützten Stelle Ausschau, wo wir das Zelt aufbauen könnten.
Gar nicht so einfach. Schließlich entdecken wir aber eine von der
vorherrschenden Windrichtung abgewandtes, kleines Plateau hinter
einem kleinen Hügel - auf 3930 m. Wir werden den restlichen
Nachmittag abwarten - so macht das keinen Sinn. Wir wollen morgen
zeitig in der Früh aufbrechen und die windstillen Stunden
ausnützen. Die Nacht wird noch kälter. Im Zelt sinkt die
Temperatur auf -2°C.
Eisiger Morgen
Um 5 Uhr 30 läutet der Wecker. Es dämmert gegen 7 Uhr. Das
Außenzelt ist von einer dünnen Eisschicht überzogen. Wir
frieren beim Einpacken. -12°C sorgen dafür, dass wir nur langsam
in die Gänge kommen. Trotz 2 Paar Socken, der Radschuhe und den
Regenüberschuhe, sind die Zehen nach kurzer Zeit eiskalt und
völlig gefühllos. Und dann bläst uns schon jetzt der Wind
entgegen. Zermürbend. Mit nur 10 km/h, also kaum schneller als
gestern Nachmittag, kommen wir wieder nur langsam voran. Die
Strecke ist schnurgerade und wieder leicht bergauf. Nathalie
verläßt die Lust. Sie kann sich kaum motivieren. An die 70 km
liegen heute vor uns. Wenn wir weiter so langsam sind, wird das
ein laaanger Tag. Da taucht nach etwa 18 Kilometern der kleine
Ort Archibarca auf. Eigentlich sind es nur 2 Häuser. Die Hunde
schlagen an. Wir fahren näher heran. Da entdecken uns 3 Llamas.
Das größte davon setzt sich in Bewegung und galoppiert auf
uns zu. Was sollen wir davon halten ?!?
Unser neuer Freund
Wie sich herausstellt ist
es nur sehr neugierig und anscheinend sehr menschenbezogen. Alles
an unseren Rädern muß ausgiebig erkundet werden. Wir nützen den
Vorfall für eine kurze Pause und trinken heißen Tee (den wir in
der Früh zubereitet haben.) Das witzige Ereignis muntert uns auf.
Die Sonne wärmt auch schon mehr, der Wind hat wieder etwas
nachgelassen. Vielleicht schaffen wir ja noch die Strecke bis Jama,
den kleinen Grenzort kurz vor Chile.
Bis auf knapp über 4100 m geht es langsam hinauf. Vorbei an
Vicunaherden, die sich in dieser kargen Landschaft gut
zurechtfinden, passieren wir wieder einige Salzseen. LKW Fahrer,
die ans uns vorbeifahren, hupen und zeigen "Daumen hoch
!". Wir machen eine ganz besondere Pause: Der 5000er an
Kilometern ist erreicht !!! Was für ein Ort, um darauf einen
Schluck Cola zu trinken. Prost !
5000 km !!!
Jama, der argentinische Grenzposten
Wieder einmal gegen 14 Uhr setzt das Gebläse aus dem Westen mit
voller Wucht ein. Zwei Mal werden wir fast vom Rad geblasen. Jama
ist nicht mehr weit. Da taucht der Grenzposten nördlich des
gleichnamigen Salars auf. Die Straße macht wieder einmal eine
große Schleife. Aber mit dem Ziel vor Augen kann uns nichts mehr
aufhalten. Wenn wir auch alle paar Meter stehenbleiben, um den
Beinen Erholung zu gönnen. Nach 117 km (von Susques) stehen wir vor dem
Zollgebäude der Argentinier.
Salar de Jama
Wir sprechen gleich einmal mit den Zöllnern, weil wir eigentlich
gerne hier die Nacht verbringen würden - wenn möglich drinnen.
Sie meinen, wenn wir erst morgen weiterfahren, dann sollen wir uns
den Stempel am Abend holen (es ist kurz nach 15 Uhr). Wegen dem
Übernachten, da wird ihnen schon was einfallen. Nun gut, dann
essen wir erst einmal etwas. Es gibt einen Kiosk. Wir bestellen
uns Empanadas. Im Windschatten der Hausmauer sitzen wir in der
Sonne am Boden und warten, dass die Zeit vergeht. Gegen Abend
machen wir uns wieder bemerkbar. Nun ist eine der Beamtinnen doch
sehr unfreundlich. Das mit der warmen Nacht "drinnen"
stellt sich als schwieriger heraus, als noch vor kurzem gedacht.
In einem "Amtsgebäude" geht so etwas nicht, meint die
ungehaltene Dame. Man bietet uns an in einer großen Halle unser
Zelt aufzuschlagen, wenigstens vor dem Wind geschützt. Aber
hinein können wir erst ab 21 Uhr abends. Da ist es schon lange
dunkel und bereits empfindlich kalt. Vielleicht ergibt sich ja
noch etwas.
Wir warten. Diesmal auf einer Wartebank im Zollhaus.
Einer der jüngeren Angestellten zieht uns schließlich beiseite
und meint es gibt einen Raum für uns. Ein Bekannter von ihm will
uns ein Zimmer mit 2 Betten zur Verfügung stellen, in seinem
Adobehaus ! Und dafür will er nicht einmal etwas haben. Wir
staunen ! Schnell nehmen wir unsere Räder und folgen ihm in die
dunkle Nacht hinaus. Unweit der Zollstation steht die Hütte. Wir
parken unsere Gefährte davor und treten ein. Klein, chaotisch,
nur eine Kerze als Licht, kein Fenster, aber immerhin 2 klapprige
Betten ... und mehr brauchen wir ja nicht. Wir sagen ihm, dass wir
ihm nichts desto trotz dafür bezahlen wollen, wenigstens eine
Kleinigkeit. Das hat Zeit, meint er. Wir bekommen noch einen
heißen Tee, dann verkriechen wir uns in unsere
Schlafsäcke.
Angel, unser Gastgeber,
mit Anhang
In der Früh ist es hier auf 4100 m auch im Zimmer eiskalt. Wir
sind erschöpft... vielleicht auch nur lustlos. "Sollen wir
noch einen Tag bleiben ?!" Die nächsten 160 km müssen wir
so und so durchfahren. Ein Akklimatisationstag auf dieser Höhe
wäre auch kein Fehler. Es geht uns zwar gesundheitlich sehr gut,
aber bis auf über 4800 m müssen wir ja noch hinauf. Nathalie
fragt unseren Gastgeber. "Überhaupt kein Problem
!" Perfekt ! Wir legen uns wieder hin.
Adobeziegel trocknen in
der Sonne des Altiplano
Den Tag verbringen wir mit nichts tun, etwas lesen, die Sonne
genießen, aber auch schon recht früh frieren, denn der ewige
Wind legt schon am Vormittag los. Das wird ein Kampf in den
kommenden Tagen werden. Hier in Jama gibt es sogar ein kleines
"Restaurant" (wo wir 2 riesige Pizzas essen) und einen
ebenfalls kleinen Laden. Das hat wieder einmal keiner gewußt
(damit meine ich diverse Touristeninfos !) - aber man kann sich
hier mit dem nötigsten eindecken. Wir besorgen nur Cola als
Treibstoff für die bevorstehenden Anstrengungen. Den
Ausreisestempel im Paß haben wir schon am 27.April geholt ...
sind wir dann eigentlich einen Tag "illegal" im Land
gewesen ?! Egal ;-) Morgen verlassen wir Argentinien über den
Anstieg zum Paso de Jama, welcher sich noch 170 m über uns
befindet. Auch die zweite Nacht wird wieder bitterkalt.
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