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Andenüberquerung - Teil 2

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 27.April 2007     Durch die Puna zum Paso de Jama vor Chile

 Grenzposten Jama, Provinz Salta, Grenze Argentinien - Chile   

 

"Was du für den Gipfel hältst, ist nur eine Stufe."

Seneca
 
 
 
Die unendlich scheinenden Weiten der "Salinas Grandes"
 
Nathalie bei der Befahrung eines Salzsees in der Puna Jujuys
 

______________________

Corredor Bioceánico "Paso de Jama" 

           2005 ist die nunmehr komplett asphaltierte Verkehrsverbindung zwischen der Provinz Jujuy im Norden Argentiniens und Chile von den damaligen Präsidenten Kirchner (Arg.) und Lagos (Chile) offiziell eröffnet worden. Diese Passüberquerung stellt das Verbindungsglied einer für den Warentransport so wichtigen, gut befahrbaren Verbindung von Brasilien am Atlantik mit Chile am pazifischen Ozean dar. Trotzdem gerade LKWs von der Strecke profitieren, ist die Verkehrsdichte gering (!). 

Die Anden - Berggipfel im Wolkenmeer

          Die Überquerung der längsten Gebirgskette der Erde auf diesem Weg stellt trotz des verbesserten Straßenbelags noch immer hohe Anforderungen an diejenigen, die sich auf dieses Abenteuer mit dem Fahrrad einlassen. Ein Problem ist die Schwierigkeit Radler-relevante Informationen über das Gebiet zu bekommen. "Wo gibt es Wasser ?", ist sicher die wichtigste Frage, die wir uns zu stellen haben. Leider kann kaum jemand eine befriedigende Antwort darauf geben. "Gibt es bewohnte Häuser oder Dörfer am Weg ?" Auch hierauf bekommt man die unterschiedlichsten Antworten. Und selbst Kilometerangaben schwanken um Riesenbeträge. Auch Straßenschilder sind sich darin nicht einig. Von Höhenmeterbeträgen mal ganz abgesehen. 

Blick aus dem Fenster beim Flug nach Südamerika

Schon aus dem Flugzeug haben die Dimensionen fast unüberwindbar gewirkt

          Die Distanzen sind riesig, die zu überwindenden Höhenunterschiede beträchtlich. Das Land staubtrocken. Schutzlos ist man orkanartigen Böen ausgeliefert, die über die Hochflächen blasen. Die UV-Strahlung ist extrem. Scheint ein perfekter Platz zum Radfahren zu sein, oder ?!  ;-) Scherz beiseite ! Gerade wegen dieser einfach nicht zu unterschätzenden Tatsachen einer solchen Unternehmung, müssen wir, als langsam reisende, die sich viel länger den verschiedenen Umweltbedingungen aussetzen, sehr umsichtig an die Sache herangehen. Gibt es unterschiedliche Infos zu Wasserstellen oder Kilometerangaben, gehen wir immer vom schlechtesten Fall aus. Sollte es besser kommen, als gedacht ... toll, das freut uns. Tritt aber die "schlimmere" Variante ein, so bringt uns die vorsichtigere Kalkulation nicht in eine vielleicht gefährliche Situation. 

Als ein Beispiel möchte ich den Hinweis des Radlers nennen, der von 2 Wasserquellen gesprochen hat, die am Ende der 2000 m Steigung des ersten Tages plätschern sollen: Keiner konnte uns das sonst noch bestätigen. Also haben wir so gehandelt, als gäbe es sie nicht. Wasser, als Quelle des Lebens, ist zu kostbar, um leichtsinnig damit zu spekulieren. Ist diese Quelle nun wirklich da oder nicht ?! Davon später mehr.

Noch ein paar "Fakten"

           Unser Wissensstand vor der Tour: Die "Cuesta de Lipan" (Steigung) bringt einen Höhenunterschied von 2000 m mit sich und uns über einen Pass mit 4167 m. Das erste Dorf, Susques, liegt in ca. 130-140 km Entfernung. Davor gibt es (eventuell) einzelne, bewohnte Häuser. Dann sind es noch einmal 125-155 Kilometer bis zum argentinischen Grenzposten beim Paso de Jama auf ca. 4200 m Seehöhe. Bis San Pedro de Atacama in Chile geht es anschließend auf weiteren 160 km durch unbewohntes Gebiet und zweimal auf Höhen von (anscheinend) über 4700 m Meereshöhe. Macht insgesamt von Purmamarca eine Distanz von 415 - 455 km und viele zu strampelnde Meter nach oben. Die vorherrschende Windrichtung ist NW, das heißt, wenn Wind, dann Gegenwind. Nun gut, genug der Spekulationen, machen wir uns auf den Weg.

Let´s go

          Es ist 7 Uhr morgens, am 21.April 2007, und noch stockdunkel draußen. Wir haben gerade die Anhänger an die Räder montiert und rollen im Schein der Straßenlaternen Purmamarcas Richtung Hauptstrasse. Die ersten Hähne krähen. Wir sind um kurz vor 6 Uhr aufgestanden. Das Gepäck haben wir schon am Vortag gepackt. Auf meinem Hänger befindet sich noch ein 10 Liter Wassersack oben drauf. Insgesamt haben wir 15 Liter Wasser dabei. Wenn wir kein Wasser finden sollten, könnten wir so (wenn auch knapp kalkuliert, bei der Anstrengung und der Hitze) 2 Tage durchfahren, und am dritten (durstig !) in Susques ankommen. 

Cuesta de Lipan

          Wir wollten so früh wie möglich starten, um die viel kühleren Morgenstunden auszunützen. Von Beginn an geht es mit einer leichten Steigung bergan. Die Strasse windet sich parallel zum Flussbett Richtung Westen talaufwärts. Wir sind so gut wie allein. Und kommen recht gut voran. Nach 14 Kilometern haben wir die ersten 600 Höhenmeter hinter uns gebracht. Hier, auf ca. 2900 Hm, beginnen die ersten Serpentinen der Cuesta de Lipan. (Purmamarca liegt laut unserer Messung auf etwa 2300 Hm) Ein paar Häuser und eine kleine Kapelle liegen auf der anderen Flußseite. Wir füllen hier noch eine Flasche Wasser aus einem Rinnsaal am Straßenrand auf. Dann nehmen wir die Cuesta in Angriff. 

Noch 20 km bis zum Pass

          Laut einem Buch, in dem wir in Purmamarca gelesen haben, sollte die Steigung nie mehr als 7 % betragen. Wenn wir da an bis zu 19 % auf Schotter auf der Carretera Austral denken, sind wir recht positiv gestimmt. Aber die Höhe fordert dem Körper natürlich zusätzlich einiges ab. Und 35 Kilometer nur bergauf sind halt nicht ohne. Bei den kurzen Pausen merken wir bald auch die Höhe. Wir atmen viel tiefer als sonst, schnaufen beim Anfahren dann umso mehr, bis wir wieder in einen gleichmäßigen Rhythmus kommen. Nathalie hat mit der langen Dauer des Anstiegs zu kämpfen. Ich fühle mich bis 3500 m ausgezeichnet. 

Die Serpentinen der Cuesta de Lipan im unteren Bereich

          Dann allerdings wendet sich das Blatt. Ich bekomme einen dumpfen Kopfschmerz und mir wird übel. Obwohl ich mich ausgetrocknet fühle, kann ich kaum einen Schluck trinken. Diese Verschlechterung meines Zustandes von "ausgezeichnet" zu "hundeelend" ist extrem rasch gekommen. Nathalie hat zwar auch leichte Kopfschmerzen, doch sie steckt diesen Teil der Strecke viel besser weg als ich. Eine Akklimatisation auf 2300 m bringt halt auf fast 4000 m nichts mehr. Ich werde immer langsamer am Rad, konzentriere mich darauf ruhig zu atmen,... aber diese verdammte Übelkeit, die bleibt. Die beste Lösung wäre abzusteigen (in dem Fall abzufahren), bis zu einer Höhe, in der man symptomfrei gewesen ist. Aber ich will die geradelten Höhenmeter nicht opfern. Was würden wir dann tun ? Dort schlafen ?! Morgen alles wieder hinaufmüssen ! Nein. Falls es nur irgendwie geht, werde ich versuchen, mich über den Pass zu quälen. Dann sollte es auch bergab gehen. Ich probier´s noch ein Stück. Umdrehen und runterrollen können wir ja immer noch. 

Cuesta de Lipan

8 Kurven (Bildmitte), dann eine längere Gerade, gefolgt von den finalen 5 im 100° Winkel

(Blick von der letzen Serpentine - ca. 3900 Hm)

          Dann kommen wir zur letzten Serpentine der Cuesta ... und wirklich kurz danach entdecken wir die 2 Wasserquellen. Der Radler hatte recht ! Wir füllen eine Flasche auf und kühlen den Kopf. Dann setzen wir den Weg fort. Nur noch knapp 200 Höhenmeter. Durchhalten ! Die Steigung und das Gewicht des Gepäcks sind gar nicht mein Problem. Körperlich kann ich die Lasten problemlos bewegen, aber dieser Höhenunterschied in dieser kurzen Zeit, der hat es (für mich mehr als für Nathalie, was mich sehr freut !) in sich. Die finalen Kurven ziehen sich ewig dahin. 

4170 m - die Passhöhe ist erreicht

          Dann sind wir endlich oben ! Auf 4170 m (Abra de Potrerillos). Es ist 16 Uhr 15. Mir ist zum Spei... ! Insgesamt ist es "nur" ein Höhenunterschied von 1747 m auf 35 km gewesen. Wir bleiben kurz. Es folgt das obligatorische "Gipfel - Ziel -Foto". Dann geht es bergab. Und es ist kaum zu glauben. Mit jedem Meter Abfahrt geht es mir besser. Ich möchte sagen, ich blühe förmlich auf ;-) 15 Kilometer herrlichster Straßendownhill. 

Endlich bergab !

          Dann erreichen wir Saladillos. Ein verlassenes Adobehaus steht unweit der Straße. Dahinter ein paar bewohnte Hütten. Wir fragen, ob wir die Nacht im alleinstehenden Haus verbringen dürfen. "Kein Problem !" Dann kaufen wir dem netten Burschen noch 4 Birnen ab. Übrigens, Wasser hätten wir auch hier problemlos bekommen können !! Wir bauen das Innenzelt geschützt in einem Zimmer ohne Tür auf und genießen die letzen Sonnenstrahlen diesen langen Tages. Wir befinden uns auf 3640 m Seehöhe. Etwas tiefer können wir schon die weiß schimmernden Weiten der Salinas Grandes , eines riesigen, zur Zeit trockenen Salzsees erkennen. Der Mond steht bereits am Himmel. Wir fühlen uns gut. Fast wollte ich schon umdrehen. Das "Durchbeißen" hat sich ausgezahlt. Wir schlafen bald ein.

Saladillos - 3640 m

 

Ein Meer aus Salz - die Salinas Grandes

          Nur leichte Kopfschmerzen haben wir am Morgen. Ansonsten sind wir guter Dinge. Bis auf ca. 3440 m geht die Strecke noch in die Hochebene der Puna hinunter. Ein Vicuna (ein wilder Verwandter der Llamas) steht am Straßenrand und beäugt uns neugierig. Wir werden mit tollen Ausblicken auf die strahlend weiße Weite der Salinas Grandes verwöhnt. Wir passieren die Ruta 40. Erinnerungen werden wach. Vor gar nicht so langer Zeit sind wir auf dieser an die 5000 km langen Straße, die Argentinien in Nord-Süd-Richtung wie ein Rückrat durchzieht, die letzten 2 Etappen unserer Patagonientour gefahren. 

          Dann werden die salzigen Flecken im gelb-grünlich leuchtenden Steppengras der Puna immer größer. Und schließlich erreichen wir den Rand des Salars (Salzsees). Um diese Zeit ist er ausgetrocknet ... und für uns befahrbar. Die auskristallisierten Salze bilden vorwiegend hexagonale Formen. Ein beeindruckender Anblick. Bis zu den Bergen am Horizont sowohl im Norden, als auch im Süden, scheint sich die Fläche auszubreiten. Wir fahren von der Straße ab und rollen hinab auf die glitzernde Oberfläche. Fast unwirklich ist das Gefühl auf diesem Meer aus Salz dahinzugleiten.

Eine Welt aus Salz

          Wir fahren Richtung Westen. Bald treffen wir auf gleichmäßig aufgeschüttete Salzhaufen, braune und weiße. Dazwischen befinden sich rechteckige Wasserbecken. Hier wird mit einer Hacke die salzige Oberfläche durchstoßen und die groben Kristalle zerkleinert. An der Luft trocknet die Substanz dann von braun (feucht) zu weiß (trocken). Die Arbeit ist mühsam. Die Arbeiter sind vermummt. Die Sonneneinstrahlung wird durch die Reflexion noch um ein Vielfaches verstärkt. Die UV-Belastung ist enorm. 

          Als wir später zur Straße zurückkehren, werfen wir noch einen Blick auf ein derzeit nicht in Betrieb befindliches Restaurant aus Salzblöcken. Auch hierzu haben wir unterschiedliche Informationen erhalten. Hier hat sich unser Radlerkollege zum Beispiel geirrt. Zum Glück sind wir davon nicht abhängig. 

Hier findet der Salzabbau statt

          Wir blicken noch einmal auf den Salar zurück und kämpfen uns nunmehr gegen immer stärker werdenden Gegenwind Richtung Westen vor. Vorbei an Llamaherden, Vicunas, Eseln und doch immer wieder auch bewohnten Adobehäusern. Schließlich bäumt sich die Strecke wieder auf. Wir haben gewußt, daß es wieder in höhere Gefilde gehen wird, doch wie weit wir in diesem Abschnitt hinaufmüssen, davon haben wir keine Ahnung. Wir werden des Tretens müde. Der Straßenverlauf schlängelt sich allmählich durch enge Schluchten, die Steigungen fordern uns wieder einiges ab. Wir entdecken zu unserer Linken ein trockenes Flußbett, das sich canyonartig nach oben fortsetzt. Hier könnten wir, ab von der Straße die Nacht verbringen. Ein Fluß in der Nähe führt hier sogar Wasser !!! Perfekt. Sollen wir schon jetzt - es ist 15 Uhr 30 - Schluß machen für heute ?!? 

Ein Stück fahren wir noch weiter. Es geht steil dahin. Eine bessere Nische finden wir nicht. Also drehen wir um. Wieder sind wir auf ca. 3640 m Seehöhe... wie gestern. Relativ geschützt von den Böen verbringen wir eine ruhige Nacht. Was die Kopfschmerzen anbelangt, sind wir den ganzen Tag relativ verschont geblieben. Nur in der Nacht machen sie mir kurz das Leben schwer. Am Morgen sind wir beschwerdefrei. Jetzt ist es nicht mehr weit bis Susques.

Susques, das letzte Dorf auf der Strecke

Die Kirche von Susques

          Die letzten Kilometer können wir richtig genießen. Schon recht gut akklimatisiert legen wir auf dem höchsten Punkt (ca. 3860 m) eine Pause ein und lassen den Blick über die sich vor uns ausbreitende Andenhochfläche schweifen ... im Nordwesten liegt Bolivien, im Westen Chile. Dann geht es bergab und leider auch wieder bergauf dahin bis wir vor den Toren Susques stehen. Ungefähr 140 km von Purmamarca entfernt, liegt dieses Dorf auf ca. 3640 m über dem Meeresspiegel (wieder einmal, die schon bekannte Höhe ;-). Für den LKW Verkehr findet hier die Zollabfertigung statt, es gibt ein paar Hospedajes, ein paar kleine Läden, die das nötigste an Lebensmitteln parat haben. Busse halten hier auf der Durchfahrt nach San Pedro de Atacama. Sogar ein kleines Spital wird gerade errichtet. Der Ort ist trotzdem sehr klein und nicht sehr spannend. Nur die alte Kirche aus den frühesten Zeiten der Kolonisation ist ein Blickfang. Wir fahren ein Stück weiter und werden die nächsten 2 Tage zur besseren Akklimatisation in einer Hosteria unweit des Dorfes verbringen. Bis San Pedro de Atacama liegen noch 300 km und noch viel größere Höhenflüge vor uns. 

Wir haben den Sauerstoff in der Hosteria nicht gebraucht

          Die 2 Tage Erholung haben uns sehr gut getan. Mit wieder voll aufgefüllten Wasservorräten brechen wir am  26.4. kurz vor 9 Uhr auf. Und es ist eiskalt ! Der Temperatursturz kommt unerwartet.  -4°C und dazu gleich bergauf. Völlig außer Atem pausieren wir schon nach kurzer Berganfahrt und ... frieren. Bis zum Paso de Jama rechnen wir mit 2, im schlechtesten Fall 3 Tagen, Fahrt. Zum Glück ist auf die Sonne Verlass - es wird wärmer. 

Llamas haben Vorrang

          Auf gut 18 km geht es kontinuierlich bergauf. Die Bergrücken der Cordon de Taire sind zu überwinden. Als wir am höchsten Punkt, ca. 4113 m, ankommen und uns auf die bevorstehende Abfahrt Richtung Salar de Olaroz freuen weht uns ein kalter Wind entgegen. Schon in den letzten Tagen sind meist ab 14 Uhr heulende Böen über das Land gefegt. "Wie sollen wir dagegen anfahren ?!", haben wir uns gefragt. Jetzt dürfen wir genau das ausprobieren. Meistens müssen wir bergab treten. So ist uns keine Erholung gegönnt. Der Salzsee taucht auf. Die Straße führt in diesem Fall nicht direkt über den Salar, sondern macht eine weite Schleife Richtung Süden. Der Wind trifft uns zu Beginn von der Seite. Als der Straßenverlauf aber nach Westen abbiegt, bekommen wir die ganze Wucht frontal ab. Auf 7-8 km/h bremst uns die Naturgewalt herunter. Die Böen sind so stark, dass sie einem förmlich den Atem rauben. So halten wir nach einer geschützten Stelle Ausschau, wo wir das Zelt aufbauen könnten. Gar nicht so einfach. Schließlich entdecken wir aber eine von der vorherrschenden Windrichtung abgewandtes, kleines Plateau hinter einem kleinen Hügel - auf 3930 m. Wir werden den restlichen Nachmittag abwarten - so macht das keinen Sinn. Wir wollen morgen zeitig in der Früh aufbrechen und die windstillen Stunden ausnützen. Die Nacht wird noch kälter. Im Zelt sinkt die Temperatur auf -2°C. 

Eisiger Morgen

          Um 5 Uhr 30 läutet der Wecker. Es dämmert gegen 7 Uhr. Das Außenzelt ist von einer dünnen Eisschicht überzogen. Wir frieren beim Einpacken. -12°C sorgen dafür, dass wir nur langsam in die Gänge kommen. Trotz 2 Paar Socken, der Radschuhe und den Regenüberschuhe, sind die Zehen nach kurzer Zeit eiskalt und völlig gefühllos. Und dann bläst uns schon jetzt der Wind entgegen. Zermürbend. Mit nur 10 km/h, also kaum schneller als gestern Nachmittag, kommen wir wieder nur langsam voran. Die Strecke ist schnurgerade und wieder leicht bergauf. Nathalie verläßt die Lust. Sie kann sich kaum motivieren. An die 70 km liegen heute vor uns. Wenn wir weiter so langsam sind, wird das ein laaanger Tag. Da taucht nach etwa 18 Kilometern der kleine Ort Archibarca auf. Eigentlich sind es nur 2 Häuser. Die Hunde schlagen an. Wir fahren näher heran. Da entdecken uns 3 Llamas. Das größte davon setzt sich in Bewegung und galoppiert auf uns zu. Was sollen wir davon halten ?!? 

Unser neuer Freund

Wie sich herausstellt ist es nur sehr neugierig und anscheinend sehr menschenbezogen. Alles an unseren Rädern muß ausgiebig erkundet werden. Wir nützen den Vorfall für eine kurze Pause und trinken heißen Tee (den wir in der Früh zubereitet haben.) Das witzige Ereignis muntert uns auf. Die Sonne wärmt auch schon mehr, der Wind hat wieder etwas nachgelassen. Vielleicht schaffen wir ja noch die Strecke bis Jama, den kleinen Grenzort kurz vor Chile. 

          Bis auf knapp über 4100 m geht es langsam hinauf. Vorbei an Vicunaherden, die sich in dieser kargen Landschaft gut zurechtfinden, passieren wir wieder einige Salzseen. LKW Fahrer, die ans uns vorbeifahren, hupen und zeigen "Daumen hoch !". Wir machen eine ganz besondere Pause: Der 5000er an Kilometern ist erreicht !!! Was für ein Ort, um darauf einen Schluck Cola zu trinken. Prost !

5000 km !!!

 

Jama, der argentinische Grenzposten

          Wieder einmal gegen 14 Uhr setzt das Gebläse aus dem Westen mit voller Wucht ein. Zwei Mal werden wir fast vom Rad geblasen. Jama ist nicht mehr weit. Da taucht der Grenzposten nördlich des gleichnamigen Salars auf. Die Straße macht wieder einmal eine große Schleife. Aber mit dem Ziel vor Augen kann uns nichts mehr aufhalten. Wenn wir auch alle paar Meter stehenbleiben, um den Beinen Erholung zu gönnen. Nach 117 km (von Susques) stehen wir vor dem Zollgebäude der Argentinier. 

Salar de Jama

          Wir sprechen gleich einmal mit den Zöllnern, weil wir eigentlich gerne hier die Nacht verbringen würden - wenn möglich drinnen. Sie meinen, wenn wir erst morgen weiterfahren, dann sollen wir uns den Stempel am Abend holen (es ist kurz nach 15 Uhr). Wegen dem Übernachten, da wird ihnen schon was einfallen. Nun gut, dann essen wir erst einmal etwas. Es gibt einen Kiosk. Wir bestellen uns Empanadas. Im Windschatten der Hausmauer sitzen wir in der Sonne am Boden und warten, dass die Zeit vergeht. Gegen Abend machen wir uns wieder bemerkbar. Nun ist eine der Beamtinnen doch sehr unfreundlich. Das mit der warmen Nacht "drinnen" stellt sich als schwieriger heraus, als noch vor kurzem gedacht. In einem "Amtsgebäude" geht so etwas nicht, meint die ungehaltene Dame. Man bietet uns an in einer großen Halle unser Zelt aufzuschlagen, wenigstens vor dem Wind geschützt. Aber hinein können wir erst ab 21 Uhr abends. Da ist es schon lange dunkel und bereits empfindlich kalt. Vielleicht ergibt sich ja noch etwas. 

Wir warten. Diesmal auf einer Wartebank im Zollhaus. Einer der jüngeren Angestellten zieht uns schließlich beiseite und meint es gibt einen Raum für uns. Ein Bekannter von ihm will uns ein Zimmer mit 2 Betten zur Verfügung stellen, in seinem Adobehaus ! Und dafür will er nicht einmal etwas haben. Wir staunen ! Schnell nehmen wir unsere Räder und folgen ihm in die dunkle Nacht hinaus. Unweit der Zollstation steht die Hütte. Wir parken unsere Gefährte davor und treten ein. Klein, chaotisch, nur eine Kerze als Licht, kein Fenster, aber immerhin 2 klapprige Betten ... und mehr brauchen wir ja nicht. Wir sagen ihm, dass wir ihm nichts desto trotz dafür bezahlen wollen, wenigstens eine Kleinigkeit. Das hat Zeit, meint er. Wir bekommen noch einen heißen Tee, dann verkriechen wir uns in unsere Schlafsäcke. 

Angel, unser Gastgeber, mit Anhang

          In der Früh ist es hier auf 4100 m auch im Zimmer eiskalt. Wir sind erschöpft... vielleicht auch nur lustlos. "Sollen wir noch einen Tag bleiben ?!" Die nächsten 160 km müssen wir so und so durchfahren. Ein Akklimatisationstag auf dieser Höhe wäre auch kein Fehler. Es geht uns zwar gesundheitlich sehr gut, aber bis auf über 4800 m müssen wir ja noch hinauf. Nathalie fragt unseren Gastgeber. "Überhaupt kein Problem !"  Perfekt ! Wir legen uns wieder hin. 

Adobeziegel trocknen in der Sonne des Altiplano

          Den Tag verbringen wir mit nichts tun, etwas lesen, die Sonne genießen, aber auch schon recht früh frieren, denn der ewige Wind legt schon am Vormittag los. Das wird ein Kampf in den kommenden Tagen werden. Hier in Jama gibt es sogar ein kleines "Restaurant" (wo wir 2 riesige Pizzas essen) und einen ebenfalls kleinen Laden. Das hat wieder einmal keiner gewußt (damit meine ich diverse Touristeninfos !) - aber man kann sich hier mit dem nötigsten eindecken. Wir besorgen nur Cola als Treibstoff für die bevorstehenden Anstrengungen. Den Ausreisestempel im Paß haben wir schon am 27.April geholt ... sind wir dann eigentlich einen Tag "illegal" im Land gewesen ?! Egal ;-) Morgen verlassen wir Argentinien über den Anstieg zum Paso de Jama, welcher sich noch 170 m über uns befindet. Auch die zweite Nacht wird wieder bitterkalt.

 

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