Ich bin noch nicht wirklich ganz gesund (was meine Verkühlung
anbelangt), als wir am
24.November von Rich aufbrechen. Aber hier im Hotel ist es Tag und
Nacht sehr kalt. Zwar wird es untertags in der Sonne noch
recht warm, sobald jedoch die Schatten der Nacht über das Land
hereinbrechen kühlt es merklich ab. Das Zimmer hat eine
Nordausrichtung und es gibt im ganzen Haus keine Heizung. Unsere
Schlafsäcke sind uns, wie schon so oft, die "wärmende"
Rettung.
Das Bike habe ich hier gemeinsam mit Nathalie
auch wieder "auf Vordermann" gebracht - das lädierte
Vorderrad (recht gut) zentriert, den Lenker wieder gerade
gerichtet, der "Pop-Lock" der Federgabel ist noch nicht
funktionstüchtig, aber auch nicht unbedingt notwendig.
"Ziz Valley"
Von Rich nehmen wir die Nationalstraße
Richtung Er-Rachidia. Dem Fluß Oued Ziz entlang, führt sie uns in
immer enger werdende Schluchten hinein. Auf der Landkarte ist der
Tunnel der Legionäre, als fast 3 km langes Bauwerk eingezeichnet.
Tunneldurchfahrten können sehr unangenehm sein, wie wir noch aus
Italien nur zu gut wissen. Als wir die Stelle erreichen, können
wir zuerst gar nicht glauben, daß der gerade einmal 100 m
lange Schacht schon alles gewesen sein soll. Extra haben wir
uns mit zusätzlichen (Stirn-)Lampen ausgestattet, um so gut wir
möglich auf uns aufmerksam zu machen. Und dann dieses kurze Loch
!! Da haben die Legionäre nicht unbedingt ein Meisterwerk
erschaffen ;-)
Der Straßenverlauf orientiert sich haargenau
am Verlauf des Flusses. Die Wände der umliegenden Berge ragen
zumeist steil, oft sogar senkrecht vom Talboden auf. Tief hat das
Wasser eine Schneise in das Land geschnitten. Der canyonartige
Verlauf stellt das faszinierende Naturwunder der "Gorges du
Ziz" dar.
Das Tal weitet sich und die Straße führt auf einen Paß hinauf.
Als wir die Anhöhe erreichen, liegt uns
ein riesiger Stausee zu Füßen.
Staudamm "Barrage
Hassan-Addakhil"
Nach einer kurzen Rast mit Blick auf das
künstliche Wasserreservoir fahren wir zügig die letzten
Kilometer nach Er-Rachidia. Nach dem üblichen "Hassle",
in dem Fall, dem aufdringlichen "Verfolgt-werden" mit Rädern, finden
wir ein billiges Hotel.
Bis zum Horizont reicht die Ebene, die wir nach Er-Rachidia
durchradeln. Das teilweise ausgetrocknete
Flußbett zu unserer Linken zeigt bizarre Formationen aus Sand und Stein.
Ausgetrockneter Seitenarm
des Oued Ziz
Wind
kommt auf. Immer stärker werden die Böen. Schließlich stellt
sich ein Dauergebläse ein, in dem jeder Meter hart erkämpft
werden muss. Der Fluß Ziz schneidet noch einmal tiefer in die
Landschaft ein, sodaß wir nach einer kurzen Abfahrt bei den
"Oasis du Ziz" landen.
Das grüne Band der
"Oasen des Ziz"
Ein grünes Band von Palmen und
Feldern sorgt für Abwechslung für die an Braun- und
Grautöne gewöhnten Augen. Ganz können wir all das aber nicht
genießen, denn nun haben uns auch schon die ersten Anzeichen
eines herannahenden Sandsturms erreicht. Die Fernsicht ist sehr
eingeschränkt, wir spüren den Sand zwischen unseren Zähnen. Bis
in die nächste Stadt mit einem festen Dach über dem Kopf sind es
noch etliche Kilometer. Hier bleiben können wir aber auch nicht
... also weiter !
Wir stemmen uns gegen den Wind. Nur sehr
langsam kommen wir voran. Bei einem kleinen Imbißlokal am
Straßenrand machen wir eine Pause. Der Besitzer freut sich über
die einzigen Gäste und ist sehr bemüht. Wir trinken ein Cola. Er
setzt sich zu uns und möchte sein Französisch aufbessern. Ob ich
ihm mit meinem Wortschatz eine große Hilfe sein werde ? Ich sage
ihm wohin wir fahren wollen, da kommt er ins Schwärmen über die
Dünen und die entspannte Atmosphäre in der Wüste. Ein Freund
trifft ein. Der redseelige Geselle setzt sich zu uns. Er kann gut
Englisch, was die Unterhaltung für uns noch einfacher macht. Moha
ist Lehrer. Er hat eine dunkle Sonnenbrille auf und gibt sich
betont lässig. Für uns, meint er, sei es viel besser jetzt
einmal eine ordentliche Pause zu machen. Überhaupt sollen wir uns
überlegen, ob wir bei diesem Wetter wirklich weiterfahren
müssen. Der Wind wirft mehrfach einen Postkartenständer um.
Sandstorm
Der
Sandsturm bläst konsequent und mit gleicher Stärke Richtung
Norden. Da es bereits 16 Uhr ist, wird es für uns höchste Zeit
zu überlegen, was wir am besten machen. Moha wechselt ein paar
Worte mit dem hilfsbereiten Lokalbesitzer. Wir können bei diesem,
oder bei ihm übernachten und morgen frisch gestärkt bei
(vielleicht) viel besserem Wetter weiterziehen. Das verlockende
Angebot, möchten wir uns nicht entgehen lassen. Schlechter kann
das Wetter auch kaum mehr werden. So entschließen wir uns die
Nacht hier zu verbringen.
Die Räder werden gleich einmal im Innenhof in
einer kleinen Kammer untergebracht. Dann begleiten wir Moha in die
Dorfschule, ganz in der Nähe. Eine kleine Klasse, von gerade mal
12 Schülern im Alter von ca. 11 Jahren, hat momentan eine
"Religionsstunde" und rezitiert aus dem Koran. Der
Direktor begrüßt uns und der Schulwart bereitet Minztee für uns
zu. Wir bekommen Einblicke in das Schulsystem in Marokko - aus
erster Hand ! Dann bringt uns Moha weg vom Schulgebäude, Richtung
Fluß. Auf einem Trampelpfad dringen wir in den Palmenhain ein.
Eine illustre Männerrunde gibt sich der entspannenden
Abendgestaltung hin. Da wird Karten gespielt, Tee getrunken,
Haschpfeife geraucht, geplaudert und gescherzt. Wir sind
herzlich eingeladen. Den Tee nehmen wir gerne an, rauchen müssen
sie aber alleine. Die Nacht bricht herein. Windgeschützt sitzen
wir am Boden, umgeben von Palmen unter dem sternenbewehrtem
Himmelszelt. Moha nimmt ein paar Züge von der Haschpfeife. Die
Männer stört unsere Anwesenheit nicht. Da treffen sich jeden Tag
Ex-Soldaten, Feldarbeiter, Lehrer und andere heitere Gesellen und
haben ihren Spaß. Wir trinken Tee bis zum Abwinken. Immer wieder
wird das Glas nachgefüllt.
Im Dunkeln führt uns Moha zurück zu unseren
Rädern. Die Frage, wo wir schlafen wollen, können wir nicht so
leicht beantworten. Der Besitzer des Snacklokals, hat uns
angeboten, bei ihm zu bleiben, Moha meint, wir können auch bei
ihm schlafen. Wir entscheiden uns für den Boden des Lokals (ein
etwa 4 x 3,5 m großer Raum). Moha
ist zwar sehr nett, aber die ruhigere Art unseres ersten
Gastgebers, sagt uns noch mehr zu. Mit den Isomatten und den
Schlafsäcken beziehen wir unser Nachtlager auf den Fliesen. Wegen
uns geht der "Patron" nicht einmal mehr nach Hause. Er
schläft am Boden des Nachbarraums... nur für den Fall, daß wir
etwas brauchen würden. Wenn wir das gewußt hätten ... so haben
wir direkt ein schlechtes Gewissen.
In der Nacht beginnt es zu regnen. Es folgt ein
Gewitter. Wir liegen in unseren Schlafsäcken am Boden und
lauschen dem Unwetter. Werden wir morgen weiterfahren können ?
Ich bin lange wach und zähle die Sekunden zwischen den Blitzen
und den darauffolgenden Donnern. Einmal kommt der Wettersturz
näher, dann entfernt sich das Getöse wieder.
Am Morgen ist draußen alles naß. Dunkle
Wolken hängen über den Bergen. Nur am Horizont im Süden ist ein
Streifen blauen Himmels zu sehen. Moha hat gestern beschlossen,
uns nach Merzouga, einem Ort bei den Dünen des Erg Chebbi, zu begleiten.
Einer seiner Ex-Schüler arbeitet in einer Kasbah direkt bei den Dünen. Wir sollen dorthin, und er wird den Preis
für uns drücken.
Vor der Abfahrt lassen wir unserem netten und
ruhigen Gastgeber noch ein angemessenes "Trinkgeld" für
seine Mühen da.
Dunkle Wolken über den
"Shifting Sands" des Ziz Valleys
Nathalie möchte schnell aufbrechen. Sie hat nicht unrecht mit der
Eile, denn fast schwarz ist der Himmel im Norden. Und von dort
bläst heute der Wind. Wenigstens heißt das für uns ...
Rückenwind !! Moha hat sein Rad dabei, einen Jogginganzug an und
einen Turban auf ... rassig ;-) Locker meint er, die 80 km bis
Merzouga, seien für ihn kein Problem. Na ja, er wird schon
wissen, was er sich zutrauen kann - oder auch nicht ... denn als
wir loslegen, wird ihm bald klar, daß wir keine
"Sonntagsradler" sind. Nathalie fährt vorne und tritt
kräftig in die Pedale - mit Hilfe des Windes von
"Achtern" sind wir mit fast 35 km/h unterwegs. Moha
liegt an zweiter Position, ich betrachte das Schauspiel von
hinten. Zuerst klebt er förmlich an Nathalies Hinterrad, doch
schon bald tut sich immer wieder mal ein Lücke auf. Ich schließe
zu ihm auf und erkundige mich nach seinem Befinden. Er wirkt etwas
überfordert. Wegen des schlechten Wetters, können wir aber keine
Rücksicht auf den Trainingszustand unseres Begleiters nehmen. Er
hat sich selbst eingeladen und wenn er mithält, haben wir nichts
gegen einen Mitfahrer. Doch ... da ist es auch schon passiert
.... !! Kurz nachdem ich ihn überholt und zu Nathalie
aufgeschlossen habe, stürzt Moha ! Zum Glück ist ihm nichts
passiert. Er ist sichtlich erschöpft ... nach etwa 3 Kilometern
!! Wir sind froh, daß es ihm gut geht und ihm auch gar nicht
böse (ganz im Gegenteil !!!), daß er seine Fahrrad(tor)tour
abbricht. Er will auf ein Taxi warten und uns in Erfoud, der
nächsten Ortschaft, erwarten. So fahren wir alleine weiter. Und
sind sehr froh darüber. Denn der Himmel tut schon wieder leicht
seine Pforten auf und vielleicht können wir dem Regen ja
davonfahren ;-)
... noch 12 km
Wir rasen dahin - herrlich ! So schnell sind wir in der Ebene noch
selten gewesen. In Erfoud treffen wir Moha und trinken einen Tee.
Er ist voller Ehrfurcht und Begeisterung für Nathalies
"Power" - damit hat er nicht gerechnet. Da hat der
marokkanische Stolz wohl etwas gelitten ;-) Weiter geht die Fahrt
nach Rissani. Palmen säumen in Gruppen den Wegesrand. Wir trinken
wieder Minztee. Moha hat wieder eine Mitfahrgelegenheit gefunden
und uns auch hier erwartet.
Moha mit Nathalie vor den
Toren Rissanis
Die weitere Wegbeschreibung ist
einfach. Immer der Straße nach und bei einem Schild "Kasbah
Erg Chebbi" nach links auf eine Piste abzweigen. Monoton geht
es dahin.
Achtung Sanddünen !
Unendliche Weiten
Die Vegetation reduziert sich auf ein Minimum.
Steinwüste, vereinzelt kleine Sanddünen, in der Distanz Palmen
... und da sehen wir sie erstmals - die Dünen des Erg Chebbi.
Am Rande der Sahara
Die
ersten Ausläufer der Sahara. Ab jetzt steuern wir mehr oder
weniger direkt auf die golden leuchtenden Wellen aus Sand zu. Wir
erreichen den Abzweig und nach 5 km Offroad - Piste die Kasbah.
Kasbah Erg Chebbi
Die Lage ist imposant ... direkt bei einer der höchsten Dünen.
Zuerst sind wir nicht ganz zufrieden damit, daß im Innenhof noch
gebaut wird. Neue Zimmer werden hinzugefügt. Die Arbeiten sind
leise, aber da wir ein paar Tage hier bleiben wollen, haben wir
das Gefühl, uns wenigstens noch eine andere Unterkunft anzusehen.
Moha ist verwundert über unseren Entschluß. Wir packen kurz vor
16 Uhr 30 noch einmal die Räder und fahren Richtung Norden. Weit
sollen wir aber nicht kommen. Nach vielleicht gerade einmal 100 m
stecken wir im feuchten Sand fest !! Zuerst lassen sich mit
schieben noch ein paar Meter machen, doch innerhalb kurzer Zeit
haben sich dicke Massen aus feuchtem Sand "lehmartig"
unter die Kotflügel geklemmt. Die Räder blockieren. Sand klebt
an der Kette, an der Schaltung, der Bremse, dem Anhänger ! Und
zwar bis zu 15 cm dicke Brocken. Ich bin angefressen !! Wären wir
doch nur dort geblieben. Jetzt haben wir den "Salat" !
Nur zu zweit können wir die Räder wieder aus dem
"Sumpf" schieben. Was noch dazukommt ist, daß die Lage
der Kasbah wirklich einmalig ist. Von hier sehen wir, direkt auf
die imposanteste Düne. So kehren wir halt doch wieder zurück.
Fast eine Stunde ist vergangen ... und der einzige Unterschied
ist, daß ich morgen gleich die Räder generalsanieren darf.
... wieder sauber !
Das Zimmer gefällt uns sehr gut. Zwar kommt kaum Wasser aus der
Dusche, und die paar Tropfen sind auch nicht wirklich sehr warm,
aber darüber wollen wir hinwegsehen. Das Essen ist mittelmäßig.
Strom, und somit Licht, gibt es nur von ca. 18 bis 21 Uhr. Die
Zimmer sind dunkel und kalt, wenn auch sehr lieb hergerichtet.
Vielleicht klingt das jetzt nicht gerade umwerfend, trotzdem sind
wir für 5 Nächte hier geblieben. Denn das, auf was es uns
wirklich angekommen ist, die einmalige Lage, der ungetrübte Blick
beim Frühstück auf der Terrasse, vor der doch sehr imposanten
Kasbah, auf die Dünen. Der nette Besitzer, der sich immer nach
unserem Wohlbefinden erkundigt. Nach nur ein paar Schritten mitten
in einem Dünenmeer zu sitzen. All das hat uns tief beeindruckt.
Statt, wie uns angeboten wird, die Dünen mit dem Kamel zu
durchstreifen, entschließen wir uns alleine loszuziehen.
Für alle Fälle ... GPS
Wir
verbringen einen ganzen Tag im Dünengewirr des Erg und finden
mehrere Oasen.
Bis auf 2 Katzen ist das
Oasencamp wie leergefegt
Viel zu nah ist die erste, zu der die (im Moment
wirklich wenigen) Touristen mit den Kamelen "gekarrt"
werden. Der Sonnenuntergang über der Sandwüste ist
atemberaubend. Die Farben des Sandes wechseln von Gelb über
Brauntöne zu Rot und einer Lilafärbung nachdem die Sonne hinter
dem Horizont verschwunden ist. Jeden Tag wandern wir in dem Meer
aus Sand vor unserer "Haustür". Die Räder habe ich
schon am ersten Tag im Bad gereinigt. Obwohl sich noch immer
Sandkörner irgendwo an der Kette versteckt haben ! Einen Waschtag
haben wir auch eingelegt und die Wäsche im Wüstenwind
getrocknet.
Nach den Gletschern in den Alpen, dem Meer in Italien, der
Durchquerung des Rif - Gebirges, des Mittleren und Hohen Atlas
haben wir mit den Ausläufern der Sahara wieder ein Zwischenziel
erreicht. Gerade die Kontraste der verschiedenen Naturlandschaften
begeistern uns immer wieder aufs Neue. Die Wüste hat uns, mit der
Ruhe, die sie ausstrahlt, in ihren Bann gezogen !
A Walk in the Dunes
Am 1.Dezember, Nathalies Namenstag, verlassen wir diesen magischen
Ort. Wir haben uns beim "Patron" wegen der Offroad -
Piste nach Erfoud erkundigt. In den vergangenen Tagen ist der
Boden viel trockener geworden. So möchten wir den Versuch wagen,
auf einem einsamen Weg, abseits der Hauptstraße, einen Pfad
zurück zu finden. Die Wegbeschreibung ist einfach: Auf den in der
Entfernung sichtbaren Sender direkt zufahren, dann in der selben
Richtung weiter bis ein weiterer Sender auftaucht. Ab dort gehen
viele Fahrspuren in alle Richtungen ... einfach die mittlere Piste
nehmen. Die letzten 17 km sind dann asphaltiert.
Wir verabschieden uns und fahren los. Ein herrlicher Tag. Nur wir
allein in der "stony desert". Die steinigen Passagen
sind von eingewehten Sandfeldern unterbrochen. Gelegentlich kommen
wir nur schiebend weiter.
Wer sein Rad liebt ... der
schiebt !!
Die riesige Ausdehnung der weiten Ebene gehört
uns ganz alleine. Erst sehr spät überholt uns ein Geländewagen.
Die Insassen wundern sich über 2 Radler in dieser unwirtlichen
Gegend. Die Landschaft wird schließlich hügeliger. Da kreuzt
eine gewaltige Windhose wirbelsturmartig unseren Weg.
Windhose voraus !
Entspannt kommen wir in Erfoud an. So allein sind wir bisher auf
noch keiner Etappe gewesen. Wir gehen essen und "feiern"
Nathalies Namenstag !
"Namenstagskind"
Wo
sind wir Daten und Fakten zum
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