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 1.Dezember 2006     Wüstensand unter den Rädern

 Erfoud, Back from the Desert,  Marokko  

 

          Ich bin noch nicht wirklich ganz gesund (was meine Verkühlung anbelangt), als wir am 24.November von Rich aufbrechen. Aber hier im Hotel ist es Tag und Nacht sehr kalt.  Zwar wird es untertags in der Sonne noch recht warm, sobald jedoch die Schatten der Nacht über das Land hereinbrechen kühlt es merklich ab. Das Zimmer hat eine Nordausrichtung und es gibt im ganzen Haus keine Heizung. Unsere Schlafsäcke sind uns, wie schon so oft, die "wärmende" Rettung. 

Das Bike habe ich hier gemeinsam mit Nathalie auch wieder "auf Vordermann" gebracht - das lädierte Vorderrad (recht gut) zentriert, den Lenker wieder gerade gerichtet, der "Pop-Lock" der Federgabel ist noch nicht funktionstüchtig, aber auch nicht unbedingt notwendig.

"Ziz Valley"

          Von Rich nehmen wir die Nationalstraße Richtung Er-Rachidia. Dem Fluß Oued Ziz entlang, führt sie uns in immer enger werdende Schluchten hinein. Auf der Landkarte ist der Tunnel der Legionäre, als fast 3 km langes Bauwerk eingezeichnet. Tunneldurchfahrten können sehr unangenehm sein, wie wir noch aus Italien nur zu gut wissen. Als wir die Stelle erreichen, können wir zuerst gar nicht glauben, daß der gerade einmal 100 m lange Schacht schon alles gewesen sein soll. Extra haben wir uns mit zusätzlichen (Stirn-)Lampen ausgestattet, um so gut wir möglich auf uns aufmerksam zu machen. Und dann dieses kurze Loch !! Da haben die Legionäre nicht unbedingt ein Meisterwerk erschaffen ;-)

Der Straßenverlauf orientiert sich haargenau am Verlauf des Flusses. Die Wände der umliegenden Berge ragen zumeist steil, oft sogar senkrecht vom Talboden auf. Tief hat das Wasser eine Schneise in das Land geschnitten. Der canyonartige Verlauf stellt das faszinierende Naturwunder der "Gorges du Ziz" dar. 

Das Tal weitet sich und die Straße führt auf einen Paß hinauf. Als wir die Anhöhe erreichen, liegt uns ein riesiger Stausee zu Füßen. 

Staudamm "Barrage Hassan-Addakhil"

Nach einer kurzen Rast mit Blick auf das künstliche Wasserreservoir fahren wir zügig die letzten Kilometer nach Er-Rachidia. Nach dem üblichen "Hassle", in dem Fall, dem aufdringlichen "Verfolgt-werden" mit Rädern, finden wir ein billiges Hotel. 

          Bis zum Horizont reicht die Ebene, die wir nach Er-Rachidia durchradeln. Das teilweise ausgetrocknete Flußbett  zu unserer Linken zeigt bizarre Formationen aus Sand und Stein. 

Ausgetrockneter Seitenarm des Oued Ziz

Wind kommt auf. Immer stärker werden die Böen. Schließlich stellt sich ein Dauergebläse ein, in dem jeder Meter hart erkämpft werden muss. Der Fluß Ziz schneidet noch einmal tiefer in die Landschaft ein, sodaß wir nach einer kurzen Abfahrt bei den "Oasis du Ziz" landen. 

Das grüne Band der "Oasen des Ziz"

Ein grünes Band von Palmen und Feldern sorgt für Abwechslung für die an Braun- und Grautöne gewöhnten Augen. Ganz können wir all das aber nicht genießen, denn nun haben uns auch schon die ersten Anzeichen eines herannahenden Sandsturms erreicht. Die Fernsicht ist sehr eingeschränkt, wir spüren den Sand zwischen unseren Zähnen. Bis in die nächste Stadt mit einem festen Dach über dem Kopf sind es noch etliche Kilometer. Hier bleiben können wir aber auch nicht ... also weiter !

Wir stemmen uns gegen den Wind. Nur sehr langsam kommen wir voran. Bei einem kleinen Imbißlokal am Straßenrand machen wir eine Pause. Der Besitzer freut sich über die einzigen Gäste und ist sehr bemüht. Wir trinken ein Cola. Er setzt sich zu uns und möchte sein Französisch aufbessern. Ob ich ihm mit meinem Wortschatz eine große Hilfe sein werde ? Ich sage ihm wohin wir fahren wollen, da kommt er ins Schwärmen über die Dünen und die entspannte Atmosphäre in der Wüste. Ein Freund trifft ein. Der redseelige Geselle setzt sich zu uns. Er kann gut Englisch, was die Unterhaltung für uns noch einfacher macht. Moha ist Lehrer. Er hat eine dunkle Sonnenbrille auf und gibt sich betont lässig. Für uns, meint er, sei es viel besser jetzt einmal eine ordentliche Pause zu machen. Überhaupt sollen wir uns überlegen, ob wir bei diesem Wetter wirklich weiterfahren müssen. Der Wind wirft mehrfach einen Postkartenständer um. 

Sandstorm

Der Sandsturm bläst konsequent und mit gleicher Stärke Richtung Norden. Da es bereits 16 Uhr ist, wird es für uns höchste Zeit zu überlegen, was wir am besten machen. Moha wechselt ein paar Worte mit dem hilfsbereiten Lokalbesitzer. Wir können bei diesem, oder bei ihm übernachten und morgen frisch gestärkt bei (vielleicht) viel besserem Wetter weiterziehen. Das verlockende Angebot, möchten wir uns nicht entgehen lassen. Schlechter kann das Wetter auch kaum mehr werden. So entschließen wir uns die Nacht hier zu verbringen. 

          Die Räder werden gleich einmal im Innenhof in einer kleinen Kammer untergebracht. Dann begleiten wir Moha in die Dorfschule, ganz in der Nähe. Eine kleine Klasse, von gerade mal 12 Schülern im Alter von ca. 11 Jahren, hat momentan eine "Religionsstunde" und rezitiert aus dem Koran. Der Direktor begrüßt uns und der Schulwart bereitet Minztee für uns zu. Wir bekommen Einblicke in das Schulsystem in Marokko - aus erster Hand ! Dann bringt uns Moha weg vom Schulgebäude, Richtung Fluß. Auf einem Trampelpfad dringen wir in den Palmenhain ein. Eine illustre Männerrunde gibt sich der entspannenden Abendgestaltung hin. Da wird Karten gespielt, Tee getrunken, Haschpfeife geraucht, geplaudert und gescherzt. Wir sind herzlich eingeladen. Den Tee nehmen wir gerne an, rauchen müssen sie aber alleine. Die Nacht bricht herein. Windgeschützt sitzen wir am Boden, umgeben von Palmen unter dem sternenbewehrtem Himmelszelt. Moha nimmt ein paar Züge von der Haschpfeife. Die Männer stört unsere Anwesenheit nicht. Da treffen sich jeden Tag Ex-Soldaten, Feldarbeiter, Lehrer und andere heitere Gesellen und haben ihren Spaß. Wir trinken Tee bis zum Abwinken. Immer wieder wird das Glas nachgefüllt. 

          Im Dunkeln führt uns Moha zurück zu unseren Rädern. Die Frage, wo wir schlafen wollen, können wir nicht so leicht beantworten. Der Besitzer des Snacklokals, hat uns angeboten, bei ihm zu bleiben, Moha meint, wir können auch bei ihm schlafen. Wir entscheiden uns für den Boden des Lokals (ein etwa 4 x 3,5 m großer Raum). Moha ist zwar sehr nett, aber die ruhigere Art unseres ersten Gastgebers, sagt uns noch mehr zu. Mit den Isomatten und den Schlafsäcken beziehen wir unser Nachtlager auf den Fliesen. Wegen uns geht der "Patron" nicht einmal mehr nach Hause. Er schläft am Boden des Nachbarraums... nur für den Fall, daß wir etwas brauchen würden. Wenn wir das gewußt hätten ... so haben wir direkt ein schlechtes Gewissen. 

          In der Nacht beginnt es zu regnen. Es folgt ein Gewitter. Wir liegen in unseren Schlafsäcken am Boden und lauschen dem Unwetter. Werden wir morgen weiterfahren können ? Ich bin lange wach und zähle die Sekunden zwischen den Blitzen und den darauffolgenden Donnern. Einmal kommt der Wettersturz näher, dann entfernt sich das Getöse wieder. 

          Am Morgen ist draußen alles naß. Dunkle Wolken hängen über den Bergen. Nur am Horizont im Süden ist ein Streifen blauen Himmels zu sehen. Moha hat gestern beschlossen, uns nach Merzouga, einem Ort bei den Dünen des Erg Chebbi, zu begleiten. Einer seiner Ex-Schüler arbeitet in einer Kasbah direkt bei den Dünen. Wir sollen dorthin, und er wird den Preis für uns drücken. 

Vor der Abfahrt lassen wir unserem netten und ruhigen Gastgeber noch ein angemessenes "Trinkgeld" für seine Mühen da. 

Dunkle Wolken über den "Shifting Sands" des Ziz Valleys

          Nathalie möchte schnell aufbrechen. Sie hat nicht unrecht mit der Eile, denn fast schwarz ist der Himmel im Norden. Und von dort bläst heute der Wind. Wenigstens heißt das für uns ... Rückenwind !! Moha hat sein Rad dabei, einen Jogginganzug an und einen Turban auf ... rassig ;-) Locker meint er, die 80 km bis Merzouga, seien für ihn kein Problem. Na ja, er wird schon wissen, was er sich zutrauen kann - oder auch nicht ... denn als wir loslegen, wird ihm bald klar, daß wir keine "Sonntagsradler" sind. Nathalie fährt vorne und tritt kräftig in die Pedale - mit Hilfe des Windes von "Achtern" sind wir mit fast 35 km/h unterwegs. Moha liegt an zweiter Position, ich betrachte das Schauspiel von hinten. Zuerst klebt er förmlich an Nathalies Hinterrad, doch schon bald tut sich immer wieder mal ein Lücke auf. Ich schließe zu ihm auf und erkundige mich nach seinem Befinden. Er wirkt etwas überfordert. Wegen des schlechten Wetters, können wir aber keine Rücksicht auf den Trainingszustand unseres Begleiters nehmen. Er hat sich selbst eingeladen und wenn er mithält, haben wir nichts gegen einen Mitfahrer. Doch ... da ist es auch schon passiert ....  !! Kurz nachdem ich ihn überholt und zu Nathalie aufgeschlossen habe, stürzt Moha ! Zum Glück ist ihm nichts passiert. Er ist sichtlich erschöpft ... nach etwa 3 Kilometern !! Wir sind froh, daß es ihm gut geht und ihm auch gar nicht böse (ganz im Gegenteil !!!), daß er seine Fahrrad(tor)tour abbricht. Er will auf ein Taxi warten und uns in Erfoud, der nächsten Ortschaft, erwarten. So fahren wir alleine weiter. Und sind sehr froh darüber. Denn der Himmel tut schon wieder leicht seine Pforten auf und vielleicht können wir dem Regen ja davonfahren ;-)

... noch 12 km

          Wir rasen dahin - herrlich ! So schnell sind wir in der Ebene noch selten gewesen. In Erfoud treffen wir Moha und trinken einen Tee. Er ist voller Ehrfurcht und Begeisterung für Nathalies "Power" - damit hat er nicht gerechnet. Da hat der marokkanische Stolz wohl etwas gelitten ;-) Weiter geht die Fahrt nach Rissani. Palmen säumen in Gruppen den Wegesrand. Wir trinken wieder Minztee. Moha hat wieder eine Mitfahrgelegenheit gefunden und uns auch hier erwartet.

Moha mit Nathalie vor den Toren Rissanis

 Die weitere Wegbeschreibung ist einfach. Immer der Straße nach und bei einem Schild "Kasbah Erg Chebbi" nach links auf eine Piste abzweigen. Monoton geht es dahin. 

Achtung Sanddünen !

 

Unendliche Weiten

          Die Vegetation reduziert sich auf ein Minimum. Steinwüste, vereinzelt kleine Sanddünen, in der Distanz Palmen ... und da sehen wir sie erstmals - die Dünen des Erg Chebbi. 

Am Rande der Sahara

          Die ersten Ausläufer der Sahara. Ab jetzt steuern wir mehr oder weniger direkt auf die golden leuchtenden Wellen aus Sand zu. Wir erreichen den Abzweig und nach 5 km Offroad - Piste die Kasbah. 

Kasbah Erg Chebbi

          Die Lage ist imposant ... direkt bei einer der höchsten Dünen. Zuerst sind wir nicht ganz zufrieden damit, daß im Innenhof noch gebaut wird. Neue Zimmer werden hinzugefügt. Die Arbeiten sind leise, aber da wir ein paar Tage hier bleiben wollen, haben wir das Gefühl, uns wenigstens noch eine andere Unterkunft anzusehen. Moha ist verwundert über unseren Entschluß. Wir packen kurz vor 16 Uhr 30 noch einmal die Räder und fahren Richtung Norden. Weit sollen wir aber nicht kommen. Nach vielleicht gerade einmal 100 m stecken wir im feuchten Sand fest !! Zuerst lassen sich mit schieben noch ein paar Meter machen, doch innerhalb kurzer Zeit haben sich dicke Massen aus feuchtem Sand "lehmartig" unter die Kotflügel geklemmt. Die Räder blockieren. Sand klebt an der Kette, an der Schaltung, der Bremse, dem Anhänger ! Und zwar bis zu 15 cm dicke Brocken. Ich bin angefressen !! Wären wir doch nur dort geblieben. Jetzt haben wir den "Salat" ! Nur zu zweit können wir die Räder wieder aus dem "Sumpf" schieben. Was noch dazukommt ist, daß die Lage der Kasbah wirklich einmalig ist. Von hier sehen wir, direkt auf die imposanteste Düne. So kehren wir halt doch wieder zurück. Fast eine Stunde ist vergangen ... und der einzige Unterschied ist, daß ich morgen gleich die Räder generalsanieren darf. 

  ... wieder sauber !

          Das Zimmer gefällt uns sehr gut. Zwar kommt kaum Wasser aus der Dusche, und die paar Tropfen sind auch nicht wirklich sehr warm, aber darüber wollen wir hinwegsehen. Das Essen ist mittelmäßig. Strom, und somit Licht, gibt es nur von ca. 18 bis 21 Uhr. Die Zimmer sind dunkel und kalt, wenn auch sehr lieb hergerichtet. Vielleicht klingt das jetzt nicht gerade umwerfend, trotzdem sind wir für 5 Nächte hier geblieben. Denn das, auf was es uns wirklich angekommen ist, die einmalige Lage, der ungetrübte Blick beim Frühstück auf der Terrasse, vor der doch sehr imposanten Kasbah, auf die Dünen. Der nette Besitzer, der sich immer nach unserem Wohlbefinden erkundigt. Nach nur ein paar Schritten mitten in einem Dünenmeer zu sitzen. All das hat uns tief beeindruckt.

          Statt, wie uns angeboten wird, die Dünen mit dem Kamel zu durchstreifen, entschließen wir uns alleine loszuziehen. 

Für alle Fälle ... GPS

Wir verbringen einen ganzen Tag im Dünengewirr des Erg und finden mehrere Oasen. 

Bis auf 2 Katzen ist das Oasencamp wie leergefegt

Viel zu nah ist die erste, zu der die (im Moment wirklich wenigen) Touristen mit den Kamelen "gekarrt" werden. Der Sonnenuntergang über der Sandwüste ist atemberaubend. Die Farben des Sandes wechseln von Gelb über Brauntöne zu Rot und einer Lilafärbung nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist. Jeden Tag wandern wir in dem Meer aus Sand vor unserer "Haustür". Die Räder habe ich schon am ersten Tag im Bad gereinigt. Obwohl sich noch immer Sandkörner irgendwo an der Kette versteckt haben ! Einen Waschtag haben wir auch eingelegt und die Wäsche im Wüstenwind getrocknet. 

          Nach den Gletschern in den Alpen, dem Meer in Italien, der Durchquerung des Rif - Gebirges, des Mittleren und Hohen Atlas haben wir mit den Ausläufern der Sahara wieder ein Zwischenziel erreicht. Gerade die Kontraste der verschiedenen Naturlandschaften begeistern uns immer wieder aufs Neue. Die Wüste hat uns, mit der Ruhe, die sie ausstrahlt, in ihren Bann gezogen !

A Walk in the Dunes

          Am 1.Dezember, Nathalies Namenstag, verlassen wir diesen magischen Ort. Wir haben uns beim "Patron" wegen der Offroad - Piste nach Erfoud erkundigt. In den vergangenen Tagen ist der Boden viel trockener geworden. So möchten wir den Versuch wagen, auf einem einsamen Weg, abseits der Hauptstraße, einen Pfad zurück zu finden. Die Wegbeschreibung ist einfach: Auf den in der Entfernung sichtbaren Sender direkt zufahren, dann in der selben Richtung weiter bis ein weiterer Sender auftaucht. Ab dort gehen viele Fahrspuren in alle Richtungen ... einfach die mittlere Piste nehmen. Die letzten 17 km sind dann asphaltiert.

          Wir verabschieden uns und fahren los. Ein herrlicher Tag. Nur wir allein in der "stony desert". Die steinigen Passagen sind von eingewehten Sandfeldern unterbrochen. Gelegentlich kommen wir nur schiebend weiter. 

Wer sein Rad liebt ... der schiebt !!

Die riesige Ausdehnung der weiten Ebene gehört uns ganz alleine. Erst sehr spät überholt uns ein Geländewagen. Die Insassen wundern sich über 2 Radler in dieser unwirtlichen Gegend. Die Landschaft wird schließlich hügeliger. Da kreuzt eine gewaltige Windhose wirbelsturmartig unseren Weg. 

Windhose voraus !

          Entspannt kommen wir in Erfoud an. So allein sind wir bisher auf noch keiner Etappe gewesen. Wir gehen essen und "feiern" Nathalies Namenstag !

"Namenstagskind"

 

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