"... Nach zwei Tagen fühlte sich jeder erfrischt,
empfand dieses Erholtsein, das nur die Entspannung nach einer oder
vor einer großen Anstrengung vermittelt. Es ist der fühlbare
Kontrast, diese vielleicht belebendste Ingredienz der Freude am
Abenteuer, besonders in den Bergen, das entspannende Bewußtsein,
schon etwas geleistet zu haben, verbunden mit dem Eifer, Neues zu
vollbringen. "
...
aus "Das größte Abenteuer meines Lebens - TRIUMPH AM
EVEREST" von Wilfried Noyce
(Originaltitel:
SOUTH COL - A personal story of the ascent of Everest, 1954)
Ich
habe das Buch in Brixen in Suedtirol in einer Jugendherberge
gefunden und schleppe es seither über alle Berge mit. Es
beschreibt den logistischen Aufwand der Erstbesteigung der
Bergsteiger um Edmund Hillary aus der Sicht des
Expeditionsteilnehmers Wilfried Noyce.
Nur noch ungefähr 200 km sind wir von Marrakech entfernt. Hier in
Quarzazate erholen wir uns vor der anstehenden zweiten Übequerung
des Hohen Atlas. Aufgrund des Schneesturms, ist das gesamte
Gebirgsmassiv nördlich der Stadt in ein weißes Kleid gehüllt.
Wird die Straße gut passierbar sein ? Bis auf 2260 m schraubt
sich der Weg über den Paß Tizi-n-Tichka Richtung Norden. Wir
sind gespannt, was uns erwarten wird.
Aber ich beginne doch lieber von vorne:
Tombouktou ... 52 Tage
(mit der Kamelkarawane)
Nach der steinigen Wüstenpiste von den Dünen des Erg Chebbi nach
Erfoud, geht die weitere Fahrt zurück in die Berge über
Asphaltstraßen. Eine 90er (km) Etappe mit einer zwar geringen,
aber dafür konstanten Steigung bringt uns nach Tinejdad zurück
zur Nationalstraße. Bis auf den, in der zweiten Tageshälfte
einsetzenden Gegenwind, der das Weiterkommen etwas mühsamer
macht, bereitet das Fahren keine Probleme.
Unser Ziel sind die großen Schluchten an der Südseite des Hohen
Atlas. Kurz vor der Stadt Tinerhir biegen wir rechts, Richtung
Norden ab, und folgen einem Flußtal, welches sich zwischen steil
aufragenden Felswänden in die Tiefen des Atlas schlängelt. Bei
einem sonnigen Zeltplatz machen wir halt... und beginnen zu
staunen. Da steht unser Zelt bereits fertig aufgebaut und ein
Mountainbike mit Gepäckträger gleich daneben. Hier vertraut ein
anderer Reiseradler wohl auf das gleiche Material wie wir. Jaime
ist Spanier und gerade auf einer Tour durch Marokko. Bis nach
Mauretanien will er weiterfahren. (Ursprünglich habe ich den Weg
über die Atlantikroute durch die Westsahara auch für uns
überlegt.) Er ist alleine unterwegs, hat aber per Zufall genau
hier Freunde aus seiner Heimat getroffen, die in die Schluchten
des Todhra zum Klettern gekommen sind.
Die Straße nach der
engsten Stelle der Todhra Schlucht
Einen Tag ruhen wir uns aus. Die Sonne scheint, wir sitzen am Pool
des Campingplatzes (klingt toll, sieht auch toll aus ... das
Wasser ist aber eiskalt !) und lesen. Zwischen dieser Schlucht,
deren 300 m hohe Wände an der engsten Stelle nur 20 m auseinander
liegen, und der Dadesschlucht weiter im Westen, gibt es eine Piste
über einen 2800 m hohen Pass. Aufgrund der starken Regenfälle,
die vor über 2 Wochen hier einige Schäden angerichtet haben, ist
die Befahrbarkeit aber gerade mit unseren Rädern mit den beiden
Anhängern die große Unbekannte. Das Unwetter hat schon die
eigentlich asphaltierte Straße stark in Mitleidenschaft gezogen.
Von den Fluten weggerissen
...
Einige Passagen sind komplett abgetragen
worden, teilweise geht es durch das Flußbett oder nur ganz knapp
an der Felswand neben einer halb abgerissenen Fahrbahn entlang.
Die Sturzfluten am Talboden haben zig Tieren das Leben gekostet,
sogar ein Nomadenkind ist in dem tosenden Gewässer
umgekommen.
... die unterspülte
Straße
Als wir mit unseren schwer bepackten Rädern entlang dieses
spektakulären Weges aufbrechen, ist von den Wassermassen nichts
mehr übrig. Doch können wir uns gut vorstellen, das bei
längeren Unwettern gerade in der Schlucht die kanalisierten
Fluten großen Schaden anrichten. Jaime hat sich mit Joaquin
zusammengetan. Sie wollen auch die Querung nach Msemrir in das
Dadestal wagen, haben aber nur minimales Gepäck dabei. Drei Tage
haben sie bis zu ihrer Rückkehr zum Campingplatz anberaumt, wo
Jaime einen Teil seiner Ausrüstung zwischenzeitlich lagert.
Am ersten Tag fahren wir alle nur bis nach Tamttatouchte. Der Ort
liegt in ca. 1750 m Seehöhe. Wir erkundigen uns nach dem Abzweig
von der Straße, der gar nicht so leicht zu finden sein soll.
(Diese Straße führt übrigens nach Imilchil. Durch dieses Dorf
sind wir bei unserer ersten Querung des Hohen Atlas kurz vor
meinem Sturz durchgefahren. Fast schließt sich somit ein Kreis.)
Die Einheimischen hier geben gerne falsche Auskünfte und schicken
vorwiegend Geländewagenfahrer auf eine falsche Fährte, sodaß
ein Führer oft die einzige Möglichkeit ist, endlich den
richtigen Pfad zu finden.
Auch wir haben so unsere Schwierigkeiten. Wir
brechen vor den Spaniern zeitig in der Früh auf. An die 50 km,
davon über 40 km offroad, liegen vor uns. Das Aufspüren der
richtigen Einfahrt in die Piste ist dann auch gleich unser erstes
Problem. Wir folgen den Anweisungen, sind uns aber nicht sicher,
ob wir wirklich richtig liegen. Nachdem wir Kilometer auf das zu
überwindende Bergmassiv zugeradelt sind, stecken wir in einer
Sackgasse. Wir kehren um. In der baumlosen Hochebene sind mehrere
mögliche Wegverläufe auszumachen. Da begegnen uns auch schon
wieder unsere spanischen Mitstreiter. Wir tun uns zusammen und
wagen noch einen Versuch. (Eigentlich wollten wir wegen der
fortgeschrittenen Zeit schon umdrehen.)
Jaime, Joaquin und ich ...
am richtigen Weg ?
Wir kämpfen uns über holprigste Steinwege bis
zu einem aufragenden Bergrücken vor. Hier verläuft der Weg in
Serpentinen. Wir sind uns sicher, daß das der Pfad sein muß. Da
sehen wir mehrere Geländewägen im Zeitlupentempo die
anspruchsvolle Piste hinunterfahren. Wir erkundigen uns bei den,
ebenfalls spanischen, Fahrern nach dem Zustand. Sie erzählen,
daß sie sich bereits auf dem Rückweg befinden. Riesige
Gesteinsbrocken, Abbrüche, weggewaschene Wegstücke haben sie zum
Umdrehen gezwungen.
Achtung, Büsche im
Anmarsch ...
... Esel haben Vorrang !
Wir überlegen, ob wir mit unseren schweren
Rädern wirklich weiterfahren sollen. Unsere spanischen Begleiter
können wegen der leichteren Räder (ähnlich wie wir bei unserer
Alpenüberquerung) auch mal ihre Gefährte tragen, was für uns
gar nicht möglich ist - außer wir würden sie
"zerlegen". Nach langen Schiebestrecken ist für
Nathalie und mich dann auf 2070 m Seehöhe Schluß.
Wir treten den Rückzug an
Wir kehren um und machen uns an die, nicht minder
mühsame Rückfahrt auf einer anderen Piste zurück zur
Straße.
Auf 2070 m Seehöhe
Die bis zu 20%igen Steigungen haben ihren
Tribut gefordert. Wie wir nachher von den Spaniern per sms
erfahren haben sie zwei Tage für die über 40 km Piste gebraucht
- und das mit fast keinem Gepäck. Wir sind froh, das sie heil
"rübergekommen" sind und wissen jetzt auch, daß wir in
Hinblick auf unsere bepackten Stahlrösser, die richtige
Entscheidung getroffen haben.
Begegnung mit einem
schafehütenden Berberjungen
Zurück durch die Gorge du Todhra gelangen wir zur
Nationalstraße. Richtung Westen geht es weiter dem Südrand des
Hohen Atlas entlang bis nach Boumalne.
Schneebedeckte Gipfel am
Weg nach Boumalne
Hier ruhen wir uns einen Tag aus. Der Ort liegt am Fuße des
Dadestals, das wir nun von unten aus erkunden.
Impressionen aus dem
Dades Tal
Felder
Lehmhäuser am Hang
Die Straße schmiegt sich
an die Steilwände
An der engsten Stelle
verläuft der Fluß direkt neben der Straße
Tags darauf dann eine Wetterkapriole, mit der wir nun überhaupt
nicht gerechnet hätten... ein Schneesturm. Einen ganzen Tag
schneit es (meist horizontal) ohne Unterbrechung. Selbst in der
Nacht will der Himmel seine eisigen Pforten nicht mehr schließen.
Alles ist weiß. Wie uns ein Berber erzählt, hat es so ein
Phänomen seit 25 Jahren nicht mehr gegeben. Was für ein Glück,
daß wir das Erleben dürfen ;-) Wir nützen den darauffolgenden
Tag um uns um den weiteren Verlauf unserer Reise (die Zeit nach
Marokko) zu kümmern. Wir frieren Stunden in diversen
Internetcafes.
Zum Glück klart der Himmel nach zwei Tagen wieder auf. Die Berge
sind zwar nun in anmutiges Weiß gehüllt, die Straßen aber
wieder frei. Weitere zwei Tage brauchen wir schließlich noch bis
Quarzazate. Nur noch zirka 200 km trennen uns von Marrakech.
Gorge du Dades
Wo
sind wir
Daten & Fakten zum Projekt >> ,