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 26.Oktober 2006   Afrika - ein "neuer" Kontinent ... 

Tanger, Atlantikküste, Straße von Gibraltar - Marokko  

 

          Die "Ouzoud", das Schiff der marokkanischen Fährgesellschaft Comanav ist schon 33 Jahre alt. 

In Panama registriertes Fährschiff "Ouzoud"

Das Interieur ist dementsprechend "abgewohnt", zwar sauber, aber äußerst "basic". Kurz haben wir überlegt, von der 2.Klasse "upzugraden" - nach kurzer Besichtigung der "besseren" Kabine, haben wir uns dann entschlossen, doch in unserer kleinen Kajüte zu bleiben. Kaum ein Unterschied, außer, daß 2 Stockbetten drinnen sind und somit etwas mehr Platz. 

Kajüte 304

Um 20 Euro/Person haben wir aber den Aufpreis für das Bordrestaurant anstelle von "Self-Service" gelöhnt - es hat mehr "Atmosphäre" und einen besseren Blick aufs Meer. Insgesamt ist die Fahrt mit der Fähre ein eher teurer Spaß. Pro Person kostet uns die Überfahrt 345 Euro !!! Für 2 Tage auf See mit Vollverpflegung. 90 Euro davon zahlt jeder nur für die Räder. Das ist die eigentliche Frechheit. Es existiert nämlich gar kein extra Platz für unsere Gefährte. 

   Fest verzurrt an den Rand gedrängt

An Rohre gebunden, wo sonst halt nichts wäre, ruhen sie im Schiffsrumpf. Eingezwängt neben bis ans absolute Limit beladenen Autos und Kleintransportern, die wirklich Platz brauchen, so schwer sein können wie nur geht und "nur" 270 Euro kosten. (Zum Vergleich 2 Räder 180 Euro !!!) Dabei haben wir, da wir über eine italienische Agentur gebucht haben, den billigeren "Italienerpreis" bezahlt. Damit haben wir uns insgesamt nämlich noch einmal 140 Euro (!!) erspart. Marokkaner zahlen noch weniger. 

Hier ein paar Tipps für die Fähre Genua - Tanger für Radreisende:

- Wenn möglich über eine italienische Agentur buchen > "Italiener" zahlen weniger als "Resteuropäer" (klingt komisch, ist aber so !)

- Für Wagemutige: In Hauptsaison vielleicht Räder nicht angeben und versuchen vor Ort (vor Ticketkontrolle) Räder auf Wohnmobil, "Wüstentruck", oder ähnliches aufzuladen. Gerade in Hauptsaison könnte das funktionieren.

- Erste Klasse zahlt sich wirklich NICHT aus, besser nur das Essen "upgraden" - und das geht auf der Fähre an der Rezeption.

Mit Volldampf voraus

          Die See ist ruhig, nur eine sanfte Dünung schaukelt das Boot minimal auf und ab. Wir sitzen an Deck und lesen. Die Sonne scheint , Möwen und Albatrosse kreisen am Himmel. Insgesamt sind vielleicht 20 Europäer an Bord, sonst nur Marokkaner. Die Fähre würde 1200 Passagiere fassen, sie ist aber bei weitem nicht ausgebucht. 5 mal am Tag ertönt aus den Bordlautsprechern der Aufruf des "Schiffsmuezzin" zum Gebet. Es gibt einen extra Gebetsraum. An der Rezeption liegt ein Zettel auf, ein Marokkaner hat ihn uns erläutert, der die Gebetsrichtung, nämlich nach Mekka, in Relation zum Schiff angibt. Da noch bis inklusive 22.Oktober Ramadan ist, sehen wir die meisten erst nach Sonnenuntergang essen. Auch der Schiffsarzt teilt uns mit, dass er sich am Nachmittag kurz zur Ruhe begibt, da er sich durch das Fasten etwas "geschwächt" fühlt. 

Der Schiffsarzt hat nur wenig Platz zur Verfügung

Am Abend des zweiten Tages auf See treffen wir ihn am Abend in seinem kleinen "Bordspital". Die kleine Station faßt gerade 2 Betten, einen Schrank mit Medikamenten und einen Zusatzraum für diverse "Behandlungen". Der Arzt ist hier ganz auf sich alleine gestellt. Es gibt keinen, der ihm zur Hand geht. Gerade für Evakuierungen hätte er Hilfskräfte, die eher für das Tragen der Bahren zuständig wären. Dr. Ghanim Issam ist 30 Jahre alt. Seit der Beendigung seiner Ausbildung in Casablanca, arbeitet er bei der Fährgesellschaft Comanav. Schon auf einigen Schiffen ist er unterwegs gewesen, im Auftrag der Medizin. Durch die doch 2 ganze Tage dauernde Fahrt, kommen laufend kleinere und größere Probleme auf ihn zu. Von Übelkeit über Sonnenstich bis zu Arbeitsunfällen. Bei kritischen Situationen könnte ein Helikopter verständigt werden. Dieser kann zwar an Bord nicht landen, aber mit einer Seilwinde könnten Patienten ausgeflogen werden. In der High Season steht der Patientenrekord für einen Tag bei 97 (!). Mit Dr. Ghanim haben wir auch die Möglichkeit, uns die Brücke anzuschauen. 

         

Dem wachsamen Auge entgeht nichts

          Ein Leutenant überwacht die Fahrt. Er freut sich, uns zu sehen und zeigt uns das Radar, die Seekarten, die Funkstation und das Steuer. Im 4 Stunden - Rhythmus wechseln sie die Position auf der Brücke. Der Kapitain wird nur für besondere Manöver oder im Hafenbereich zugezogen. 

Unsere ungefähre Position

Wir befragen den Schiffsarzt, einen gebürtigen Marokkaner, dann auch noch zu unserer Route im Land. Von ihm bekommen wir wertvolle Tipps - er gibt uns außerdem die Telefonnummern von Freunden in einigen Städten im Land. Ihn können wir auch jederzeit anrufen, falls wir Informationen oder Hilfe brauchen. Wir freuen uns sehr über seine Hilfsbereitschaft. 

          Bei der Ticketkontrolle in Genua ist uns der beeindruckende "Wüstentruck" eines Innsbruckers aufgefallen, der ebenfalls auf der Fähre nach Marokko einschiffte. Die meisten Geländefahrzeuge, und das sind nicht wenige gewesen, haben das Schiff nach Tunis genommen. Dort sind die Wüsten schneller erreicht. Wir haben während des 2-Tage Trips öfter die Gelegenheit gehabt, miteinander zu plaudern. Seit nunmehr 15 Jahren zieht es den Wüstenfan immer wieder in die einsamen Weiten der Sahara oder der Wüste Gobi. Vor 5 Jahren hat er sich selbstständig gemacht und läßt nun in kleinstem Rahmen auch andere an seinen Abenteuern teilhaben. In anregenden Gesprächen haben wir auch von ihm wertvolle Informationen über abgelegene Strecken in Marokko erhalten. Vielen Dank, Herbert, für die Hilfe !

Die Ankunft in Marokko

          So vergeht die Zeit auf der Fähre für uns fast zu schnell. Umso näher wir der Straße von Gibraltar kommen, desto schlechter wird das Wetter. 

Die Straße von Gibraltar am GPS

Es beginnt zu regnen. Dann kommt auch noch ein Sturm auf. Der Wellengang wird höher. Wir sitzen im vorderen Teil des Schiffs und haben ein mulmiges Gefühl im Bauch. Weniger wegen den Wellen, vielmehr, weil wir gehofft haben, bei schönem Wetter in Tanger anzukommen. Wir haben auch noch Verspätung. Es beginnt dunkel zu werden. Aufgrund der vielen Abzocker und finsteren Gestalten am Hafen von Tanger, soll die Ankunft mit der Fähre für Reisende zu einer Art Spießrutenlauf werden. In Gruppen treten die zudringlichen "Helfer" auf, und stürzen sich auf den müden und unachtsamen Touristen. Im Reiseführer "Lonely Planet" steht geschrieben: "...one reader recently described it as ´the worst possible introduction to any country, anywhere in the world (and that  includes Kabul)´" Wir sind auf das schlimmste gefasst. Unser Schlachtplan ist aufs Rad und ja nicht stehen bleiben. Einfach einmal weg vom Hafenbereich. Da wir uns ein Hotel für die ersten Nächte per Internet organisiert haben, müssen wir auch nicht suchen - was im Dunkeln, vor allem in der Medina, der verwinkelten Altstadt, sicher nicht so einfach wäre. 

Nun ja, die Zeit vergeht, das Wetter bleibt gleich schlecht. Nach der um 4 Stunden verspäteten Ankunft. Warten wir bis alle bei den Autos sind. Dicht an dicht stehen sie im Bauch des Schiffs. Wir bringen unser Gepäck hinunter und eine Wolke an Abgasen schlägt uns entgegen. Obwohl Ladeklappen noch geschlossen sind, haben fast alle den Motor angelassen. Die freien Flächen nützen sie aus, um in der Fähre wie wild zu wenden. Alle wollen als erster aus dem Schiff fahren, oder sich ein gute Position sichern. Ich eile zu den Rädern und kann gerade noch mit lautem Geschrei einen Kleinbusfahrer davon abhalten, über unsere Bikes zu fahren. Das tumultartige, völlig konzeptlose Durcheinander sieht aus, als ob dieses Schiff zum ersten Mal entladen würde. Dabei geht diese Fähre bis zu 2 Mal wöchentlich. Ist da wirklich immer so ein Durcheinander ?!? 

          Als wir endlich hinausradeln können schlägt uns heftigster Regen ins Gesicht. Es ist rabenschwarze Nacht. Mit meiner Brille sehe ich bei dem Unwetter gleich gar nichts mehr ;-) Wir tasten uns der Straße entlang zur Zollkontrolle. Nach kurzem Nachfragen beim Beamten können wir passieren. Als wir den Hafenbereich verlassen, sehen wir, dass die Strassen wie leergefegt sind. Ein einziger Marokkaner kommt auf uns zu, und will uns ein Hotelzimmer andrehen. Wir ersticken den Versuch im Keim und radeln wie wild Richtung Altstadt. In der Medina finden wir bald ein Schild mit dem Hinweis "Hotel Continental" auf einem Haus. Nur noch 200 m. Zwei mal ums Eck, und schon sind wir da. Das war´s ??? Wir freuen uns riesig. Dieser fast palastartige Bau, das älteste Hotel Tangers, thront über dem Hafenbecken. Unser Plan ist aufgegangen. Ein Hotel in der Nähe um schnell in Sicherheit zu sein. Aber in Sicherheit wovor ? Vielleicht ist es wegen des Unwetters, ganz ruhig gewesen. Kein Durchkämpfen, kein Trubel. Triefend naß beziehen wir unser Zimmer. 

Hotel Continental

Beim Eintreten sind wir begeistert. Blick halb auf die Straße von Gibraltar (wenn man was sehen würde ;-) und halb auf die Medina. So geht ein ereignisreicher Tag zu Ende. Wir essen eine Kleinigkeit am Zimmer und schlafen bald ein. 

Tanger

Die Medina von Tanger

          Tanger, als strategischer Punkt zwischen Afrika und Europa an der Straße von Gibraltar, ist seit über 2500 Jahren von Menschen besiedelt. Von 1923 weg ist diese Stadt als "internationale Zone" deklariert und von diplomatischen Agenten aus Frankreich, Spanien, Großbritannien, Portugal, Schweden, Holland, Belgien, Italien und den USA kontrolliert worden. 1956 fand die Wiedervereinigung mit dem damals seit ein paar Monaten unabhängigen Marokko statt. In der Zwischenzeit ist es ein Anlaufpunkt für Künstler und Schriftsteller auf der Suche nach Inspiration und billigen Drogen geworden. Paul Bowles, Tennesse Williams, Trueman Capote und Alan Ginsberg sind nur einige, die hier ihrer Leidenschaft nachgingen. Von dem High Society Chic und der boomenden Schwulenszene ist heute doch sehr viel des Glamours abgefallen. Doch der legendäre Ruf von einst schwebt noch (wenn auch nur mehr in Spuren) über der Stadt. Auch wenn der Glanz der alten Zeiten auf den ersten Blick kaum mehr ersichtlich ist, so hat die verwinkelte Medina doch ihren ganz eigenen Reiz. 

Einer der vielen Eingänge in die Altstadt

          Wir streifen durch die Altstadt und gewöhnen uns langsam an die hier ganz andere Art zu leben. Gerade am ersten Tag sind wir mit einer Hand voll Touristen, so scheint es, die einzigen "Ausländer" in der gesamten Stadt. Da der Ramadan gerade zu Ende gegangen ist und die drei Tage danach, der "große Eid", viel gefeiert wird, haben fast alle Geschäfte geschlossen.

   "Grand Socco"

Wir sehen Männer in traditionellem Gewand, "coole" Jugendliche, die sich in der Gruppe produzieren, Kinder die an der Armbanduhr oder Kugelschreibern interessiert sind, "moderne" junge Frauen, die zwar die Bekleidungsregeln des Islam befolgen, aber modische Akzente setzen und sich auffällig stark schminken, in Cafes wird vor allem vom männlichen Teil der Bevölkerung alles eindringlich gemustert ... es herrscht reges Treiben auf den Straßen. 

Der Frühstücksraum im "Continental"

          Das Hotel Continental ist das älteste Hotel in Tanger. Schon öfter hat das geschichtsträchtige Haus für diverse Filme als Kulisse gedient. Am berühmtesten vielleicht die Verfilmung von Paul Bowles "The Scheltering Sky" mit John Malkovic in einer Hauptrolle. Von unserem königlichen Zimmer sehen wir zur linken bis zur Kasbah am höchsten Punkt der Medina und zur rechten das rege Treiben im Hafenbereich. Am Horizont ist jetzt auch Gibraltar zu erkennen. 

Da ertönt wieder der Ruf der Muezzins von den Moscheen der Stadt und erinnert die Gläubigen an das Gebet.

 

Grabinschrift am alten englischen Friedhof bei St. Andrew´s Church

 

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