Vorgestern, am Samstag den 30. September, sind wir am Nachmittag in
Lienz eingetroffen. Der Blick nach Süden auf die Lienzer
Dolomiten während unserer rasanten Talfahrt vom Iselsberg ist
beeindruckend gewesen. Nordöstlich der Hauptstadt Osttirols
verbergen dunkle Wolken die Sicht auf die Defregger Alpen.
Kurzfristig öffnet der Himmel seine Pforten. Das sind wohl die
ersten Anzeichen eines Tiefs, das sich langsam von Westen her
nähert. In den letzen Tagen haben wir eigentlich großes Glück
mit dem Wetter gehabt. Aber drehen wir die Zeit einmal eine Woche
zurück ...
Nach 2 äußerst erholsamen Rasttagen in Radstadt brechen wir am
Montag, 26.September 2006, Richtung Großglockner auf. Zuerst
radeln wir noch entlang der Enns, dann verlassen wir das Tal, um
über die Wagrainer Höhe zur Salzach zu gelangen. Wir folgen dem
Fluß stromaufwärts, müssen eine klammartige Engstelle hoch
über dem Talboden vor dem Ort Lend umfahren und erreichen spät
an diesem Tag Fusch an der Glocknerstraße auf ca. 805 m Seehöhe.
Es beginnt zu regnen. Wir wollen schnell das Zelt aufbauen, als
uns ein krachendes Geräusch hochschrecken läßt... eine
Zeltstange ist beim Biegen gebrochen. Ich kann es zuerst gar nicht
glauben. Wir kann so was passieren ? Bevor wir aber noch nasser
werden beschließen wir alles geschwind einzupacken und uns für
die Nacht ein Zimmer zu nehmen. Zwar könnte ich die Zeltstange
notdürftig mit einer Reparaturhülse reparieren, doch dazu fehlt
uns die Lust, und wegen der unmittelbaren Nähe eines Quartiers
auch die Notwendigkeit. Noch am selben Abend kontaktiere ich die
Firma, über die wir das Zelt damals erworben haben. Wie wir am
nächsten Tag erfahren, erhalten wir umgehend ein komplettes
Ersatzgestänge per Express zugeschickt... wir sind ob dieser
schnellen und unkomplizierten Hilfe sehr erfreut. In Bozen werden
wir das Ersatzgestänge vom Postamt abholen. Wegen der
mittelprächtigen Wettervorhersage beschließen wir noch einen Tag
abzuwarten, bevor wir über die Hochalpenstraße das
Glocknermassiv befahren wollen. Zur aktiven Erholung radeln wir
nach Zell am See (ca. 12 km entfernt).
Die Königsetappe - die
Großglockner Hochalpenstraße
In der Früh sind die Gipfel der umliegenden Berge noch hinter
tiefhängenden Nebelbänken verborgen. Wir bepacken unsere Räder
und starten nach einem ausgiebigen Frühstück gut gestärkt
Richtung Süden. Bei zu Beginn mäßigen Steigungen radeln wir uns
langsam warm. Wir passieren einige Wasserfälle. Sie nähren die
Fuscher Ache, die sich Richtung Zell am See herabschlängelt.
Langsam wird der Straßenverlauf steiler, oft schon jetzt über 10
%. Nach der Mautstelle in Ferleiten haben wir uns an diese
andere Art des Radfahrens adaptiert. Wir wissen, dass es für
insgesamt 23 km bergauf gehen wird - durchschnittlich 8%, doch an
vielen Stellen 12-14% und gelegentlich noch mehr ... Immer wieder
bleiben wir stehen. Die Nebel haben sich aufgelöst, gerade um die
Gipfel sind noch Wolkenreste zu sehen. Sie geben die obersten
Regionen des Großen Wiesbachhorns (3564 m) und seiner Nachbarn
vorerst nicht preis. Wir sitzen und genießen den Blick auf die
Gletscher, die sich ihren Weg ins Tal bahnen. Vereinzelt
überholen uns Radfahrer mit, wenn überhaupt, sehr wenig Gepäck
- die meisten fahren "nur" bis zum Fuschertörl im
Rahmen einer Tagestour - was auch so schon sehr anstrengend ist.
Ungläubige Blicke auf unsere Beladung. Wir setzen unseren Weg
Richtung "Gipfel" fort.
Die Hauptsaison ist schon vorbei, dennoch sind
noch viele Touristen in ihren Autos, Wohnmobilen und auf
Motorrädern unterwegs. Die Großglockner Hochalpenstraße ist
nach dem Schloß Schönbrunn in Wien die am zweithäufigsten
besuchte "Attraktion" Österreichs. Wir sind im Schnitt
mit gerade 5 km/h unterwegs. Wir sehen jede auch noch so kleine
Blume am Straßenrand. Interessant, daß viele Reisende sich nicht
einmal die Zeit nehmen, sich wenigstens auf den vielen
Parkmöglichkeiten kurz der grandiosen Umgebung zu widmen. Oder,
sie bleiben zwar stehen, steigen aber nicht aus. Kurz wird aus dem
Auto herausfotografiert, dann geht die Fahrt weiter. Kann man so
die ganze Schönheit und Größe der Berge erfassen ? Wir glauben
nicht. Aber jedem seine Art zu Reisen...
In den Fotopausen tanken wir Kraft ... wir
schrauben uns immer höher und höher. Die Vegetation ändert
sich. Sind wir zu Beginn noch umgeben von dichten Wäldern
gefahren, so lassen wir langsam aber stetig die Baumgrenze hinter
uns. In kunstvoll in den Hang gebauten Serpentinen windet sich die
Hochalpenstraße Richtung Fuschertörl. Bisher ist unser höchster
Pass die Wagrainer Höhe mit nicht ganz 1000 m über dem
Meeresspiegel gewesen. Heute erreichen wir das Gasthaus
Fuschertörl auf 2430 m Seehöhe. Nach 1600 getretenen
Höhenmetern beschließen wir hier Pause zu machen. Wir plaudern
mit dem Hüttenwirt - dieser hätte sogar ein Zimmer für uns...
verlockend ! Das Fenster offenbart uns auch noch den Blick auf den
Gipfel des Großglockners (3798 m). Die Entscheidung ist
getroffen. Wir bleiben. Jetzt einmal essen, essen, ausruhen ...
und duschen !!! Trotz der Anstrengung sitzen wir noch bis 23 Uhr
nachts mit dem Wirt beisammen und reden über ferne Länder.
Wir stellen uns einen Wecker, um den
Sonnenaufgang nicht zu versäumen. In der Früh trübt keine Wolke
die Fernsicht. Ruhig bricht ein neuer Tag an. Es geht kurz bergab,
dann folgt der Anstieg zum Hochtor.
Mit 2505 m ist dieser "Tunnel" die
höchste Erhebung dieser Strecke. Wir gelangen auf die Südseite
der Alpen. Eine rasante Abfahrt ist die Belohnung für den
schweißtreibenden Anstieg. Wir überlegen nicht lange ... die
Pasterze, der Gletscher am Fuße des Großglockners, ist über
einen 9 km langen Abzweig zu erreichen. Das heißt für uns
wieder 600 Hm bergauf. Dafür ist der höchste Punkt Österreichs
dann fast zum Greifen nah.
Nathalie vor der Pasterze
Der Gipfel ist verhüllt. Die Sonne gibt aber
ihr Bestes und wirklich... der "König" läßt uns
die Ehre zu Teil werden und zeigt sich in voller Pracht. Wir
freuen uns und fahren spät zurück Richtung Tal. Am Wegesrand,
etwas oberhalb der Straße am Weg nach Heiligenblut, entdecken wir
eine kleine Hütte. Dieser Holzverschlag wird wohl normalerweise
zur Heulagerung genützt. Wir funktionieren dieses kleine
Holzhäuschen um in eine "wohnliche" 3x3 m große
Schlafstätte. Die Räder verstecken wir dahinter, die Anhänger
und Taschen kommen hinein. Mit einer Plane verschließen wir den
Eingang.
Gemütliches Nachtlager
...
Wir schlafen in unseren wohlig warmen Schlafsäcken am
Boden auf unseren Isomatten. In der Nacht sinkt die Temperatur auf
5° C ab. Nach einem letzten Blick auf den Berg der Berge
Österreichs im Morgenlicht verlassen wir endgültig den
Nationalpark Hohe Tauern und erreichen bald Osttirol.
... mit tollem Ausblick
auf den Großglockner !
Unser zweiter Alpencross hat uns in zwei Tagen auf 2500 Hm bergauf
so einiges an Kraft abverlangt. Aber wir haben es geschafft. Wir
wissen jetzt, daß wir mit unserem schweren Gepäck selbst vor
hohen Bergen keine Angst haben müssen. Kein einziges Mal haben
wir unsere Gefährte geschoben. In Marokko werden uns wieder
Pässe über 2000 Hm erwarten. Und die Anden sind mit Pässen
über 5000 Hm noch eine größere Herausforderung. "Über den
Glockner sollten wir schon kommen, wenn wir nach Südamerika
wollen !" haben wir immer gesagt. Wir sind darüber
gekommen...
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